Während VORSTÄNDE ausländischer Firmen weiblicher werden, setzt man hierzulande in Krisenzeiten auf Männer
Von Wiebke Ankersen und Christian Berg
Manch einem und einer fehlten bei der Veröffentlichung des letzten All-Bright-Berichts im Oktober die Worte: Der ohnehin anachronistisch geringe Frauenanteil in den Vorständen ist bei den 30 DAX-Unternehmen im Krisenjahr 2020 noch weiter gesunken. Beobachter hatten sich daran gewöhnt, dass er seit vielen Jahren mehr oder weniger stagniert – dass er sogar sinken könnte, hätte wohl kaum jemand für möglich gehalten.
Deutsche Konzerne strukturieren im Krisenjahr ihre Führungsetagen um, allerdings ganz anders als ihre Wettbewerber in den USA, Großbritannien, Frankreich, Schweden oder Polen. Während dort die Vorstände deutlich weiblicher werden, sind in deutschen Börsenunternehmen im Krisenjahr zwei Mechanismen zu beobachten: eine Verkleinerung der Vorstände und der Rückgriff auf Gewohntes, „Altbewährtes“: Man setzt auf Männer.
Viel häufiger als in den Vorjahren haben sich die deutschen Konzerne im vergangenen Jahr von Frauen in den Vorständen verabschiedet. So ist der Frauenanteil bei den 30 Dax-Unternehmen in einer Rückwärtsbewegung auf den Stand von 2017 gefallen und liegt jetzt bei nur noch 12,8 Prozent. Es stehen nicht mehr sechs, sondern ganze elf Dax-Unternehmen ohne eine einzige Frau im Top-Management da. Damit steht Deutschland in unserem internationalen Vergleich ganz allein: Nirgends ist das Festhalten an veralteten Führungsstrukturen so zäh. In den USA beispielsweise liegt der Frauenanteil im Top-Management längst bei 28,6 Prozent und steigt kontinuierlich weiter, auch und gerade in Krisenzeiten.
Deutsche Konzerne strukturieren im Krisenjahr ihre Führungsetagen um, allerdings ganz anders als ihre Wettbewerber in den USA, Großbritannien, Frankreich, Schweden oder Polen. Während dort die Vorstände deutlich weiblicher werden, sind in deutschen Börsenunternehmen im Krisenjahr zwei Mechanismen zu beobachten: eine Verkleinerung der Vorstände und der Rückgriff auf Gewohntes, „Altbewährtes“: Man setzt auf Männer.
Viel häufiger als in den Vorjahren haben sich die deutschen Konzerne im vergangenen Jahr von Frauen in den Vorständen verabschiedet. So ist der Frauenanteil bei den 30 Dax-Unternehmen in einer Rückwärtsbewegung auf den Stand von 2017 gefallen und liegt jetzt bei nur noch 12,8 Prozent. Es stehen nicht mehr sechs, sondern ganze elf Dax-Unternehmen ohne eine einzige Frau im Top-Management da. Damit steht Deutschland in unserem internationalen Vergleich ganz allein: Nirgends ist das Festhalten an veralteten Führungsstrukturen so zäh. In den USA beispielsweise liegt der Frauenanteil im Top-Management längst bei 28,6 Prozent und steigt kontinuierlich weiter, auch und gerade in Krisenzeiten.
Wenn hierzulande Aufsichtsräte in der Krise sogar noch verstärkt auf Männer in den Vorständen setzen, ist das ein kurzsichtiger Reflex, der zeigt, wie wenig verankert die strategisch wichtige Vielfalt von Perspektiven an deutschen Unternehmensspitzen ist. Und es ist ein Reflex, der sich rächen könnte, denn er blockiert den Modernisierungsschub an der Spitze der Unternehmen, der im Ausland längst in vollem Gange ist.
Schockiert bis amüsiert reagieren ausländische Betrachter auf die extreme Homogenität im deutschen Top-Management. Erste Reaktion amerikanischer Wirtschaftsjournalisten und schwedischer Unternehmer ist spontanes Gelächter: Warum um Gottes willen wird denn das große Potenzial gut ausgebildeter Frauen nicht genutzt in einem Land, das schon so lange und so souverän von einer Frau geführt wird? Die gut ausgebildeten Frauen sind doch da? So altmodisch kann doch das Mindset im deutschen Management nicht sein, dass man Frauen auf Augenhöhe nicht aushält?
Was anderswo als Chance zur Weiterentwicklung der Unternehmen gesehen wird, gilt in Deutschland als schwieriges, fast unlösbares Problem. So stecken die überwiegend rein männlichen Unternehmensführungen noch immer viel Energie darin zu begründen, warum es gerade in ihrem Unternehmen, gerade in ihrer Branche so schwierig ist, mehr Frauen in Führungspositionen zu bringen, anstatt diese Energie in die Entwicklung einer Vision von moderner Führung zu investieren (siehe unser Floskel-Bingo unten).
„Es gibt ja nicht genug Frauen für diese Positionen“ ist eine der beliebtesten Ausreden, die allerdings jeder Grundlage entbehrt: Gerade erst hat wieder eine Studie der Boston Consulting Group gezeigt, wie viele Managerinnen auf der Ebene unterhalb der Vorstände bereitstehen und wie schnell also die Unternehmen den Frauenanteil in den Vorständen deutlich erhöhen könnten – wenn sie wollten.
„Die Frauen wollen ja nicht“, heißt es auch gern, „sie drängen nicht in gleichem Maße ins Top-Management wie Männer“. Tatsächlich streben sie längst immer selbstbewusster und selbstverständlicher in die Top-Positionen, wie auch die Initiative #ichwill um die frühere Siemens-Personalchefin Janina Kugel betont. Sie wollen es aber möglicherweise nicht um jeden Preis, etwa den der totalen Anpassung an eine rein männlich geprägte Umgebung. Und so streben sie oft in Firmen, in denen es schon diverser zugeht: Ausländische Konzerne wie Microsoft, IBM oder L'Oréal werden auch in Deutschland von Frauen geführt.
Schockiert bis amüsiert reagieren ausländische Betrachter auf die extreme Homogenität im deutschen Top-Management. Erste Reaktion amerikanischer Wirtschaftsjournalisten und schwedischer Unternehmer ist spontanes Gelächter: Warum um Gottes willen wird denn das große Potenzial gut ausgebildeter Frauen nicht genutzt in einem Land, das schon so lange und so souverän von einer Frau geführt wird? Die gut ausgebildeten Frauen sind doch da? So altmodisch kann doch das Mindset im deutschen Management nicht sein, dass man Frauen auf Augenhöhe nicht aushält?
Was anderswo als Chance zur Weiterentwicklung der Unternehmen gesehen wird, gilt in Deutschland als schwieriges, fast unlösbares Problem. So stecken die überwiegend rein männlichen Unternehmensführungen noch immer viel Energie darin zu begründen, warum es gerade in ihrem Unternehmen, gerade in ihrer Branche so schwierig ist, mehr Frauen in Führungspositionen zu bringen, anstatt diese Energie in die Entwicklung einer Vision von moderner Führung zu investieren (siehe unser Floskel-Bingo unten).
„Es gibt ja nicht genug Frauen für diese Positionen“ ist eine der beliebtesten Ausreden, die allerdings jeder Grundlage entbehrt: Gerade erst hat wieder eine Studie der Boston Consulting Group gezeigt, wie viele Managerinnen auf der Ebene unterhalb der Vorstände bereitstehen und wie schnell also die Unternehmen den Frauenanteil in den Vorständen deutlich erhöhen könnten – wenn sie wollten.
„Die Frauen wollen ja nicht“, heißt es auch gern, „sie drängen nicht in gleichem Maße ins Top-Management wie Männer“. Tatsächlich streben sie längst immer selbstbewusster und selbstverständlicher in die Top-Positionen, wie auch die Initiative #ichwill um die frühere Siemens-Personalchefin Janina Kugel betont. Sie wollen es aber möglicherweise nicht um jeden Preis, etwa den der totalen Anpassung an eine rein männlich geprägte Umgebung. Und so streben sie oft in Firmen, in denen es schon diverser zugeht: Ausländische Konzerne wie Microsoft, IBM oder L'Oréal werden auch in Deutschland von Frauen geführt.
Im Top-Management ist der Frauenanteil auf den Stand von 2017 gefallen
Anstatt Frauen ganz einfach ebenso zu befördern wie Männer, ist es in den deutschen Unternehmen üblich, sie zunächst mit vielerlei Fördermaßnahmen zu „optimieren“. Frauen sind aber gut, wie sie sind. Und wenn sie sich in der Führung an manchen Stellen anders verhalten als Männer, gilt es, sich daran zu gewöhnen. Will ein Unternehmen von den Vorteilen divers zusammengesetzter Teams profitieren, ist das sogar entscheidend.
Es ist vor allem Sache der Unternehmen, an ihren Strukturen zu arbeiten, um eine Balance von Männer- und Frauenkarrieren zu erreichen. Dazu gehört es auch, von Männern und Frauen dasselbe zu erwarten: Auch Väter sollten die Freiheit haben, sich stärker für ihre Familien zu engagieren, Elternzeit zu nehmen und Teilzeit zu arbeiten, auch in Führungspositionen. Arbeitgeber, die eine Balance wollen, müssen dazu ermuntern und es nicht nur zähneknirschend hinnehmen. Das ist es, was Männer bei einem solchen Veränderungsprozess zu gewinnen haben.
Wenn die Politik nun über eine Geschlechterquote für Vorstände nachdenkt, sollte sie konsequenterweise noch einmal ihr ganzes Instrumentarium in den Blick nehmen. Denn mit dem Ehegattensplitting macht es der Staat den Unternehmen unnötig schwer, mehr Führungsfrauen zu entwickeln: In keinem der oben genannten Länder arbeiten Frauen so wenig wie in Deutschland. Wer in geringer Teilzeit arbeitet, wird aber selten Führungskraft. Darüber hinaus zementiert das deutsche Steuerrecht mit dem Splitting unnötig das Modell „Er macht Karriere und sie verdient hinzu“ – es gibt bessere Wege der Familienförderung, die nicht auf Kosten der finanziellen Unabhängigkeit und Karriereentwicklung der Frauen gehen.
Staat und Unternehmen müssen die Bedingungen dafür schaffen, dass beide Partner sich beruflich engagieren und vollzeitnah arbeiten können und ein Leben mit Kindern und Beruf möglich wird, das für alle Beteiligten lebenswert ist. Auf allen Hierarchieebenen, bis in den Vorstand. Nur so verankern wir nachhaltig mehr Vielfalt in der Führung.
— Die Autoren sind Geschäftsführer der deutsch-schwedischen Allbright-Stiftung, die den Anteil von Frauen in Führunjgspositionen erhöhen möchte (www.allbright-stiftung.de).
Es ist vor allem Sache der Unternehmen, an ihren Strukturen zu arbeiten, um eine Balance von Männer- und Frauenkarrieren zu erreichen. Dazu gehört es auch, von Männern und Frauen dasselbe zu erwarten: Auch Väter sollten die Freiheit haben, sich stärker für ihre Familien zu engagieren, Elternzeit zu nehmen und Teilzeit zu arbeiten, auch in Führungspositionen. Arbeitgeber, die eine Balance wollen, müssen dazu ermuntern und es nicht nur zähneknirschend hinnehmen. Das ist es, was Männer bei einem solchen Veränderungsprozess zu gewinnen haben.
Wenn die Politik nun über eine Geschlechterquote für Vorstände nachdenkt, sollte sie konsequenterweise noch einmal ihr ganzes Instrumentarium in den Blick nehmen. Denn mit dem Ehegattensplitting macht es der Staat den Unternehmen unnötig schwer, mehr Führungsfrauen zu entwickeln: In keinem der oben genannten Länder arbeiten Frauen so wenig wie in Deutschland. Wer in geringer Teilzeit arbeitet, wird aber selten Führungskraft. Darüber hinaus zementiert das deutsche Steuerrecht mit dem Splitting unnötig das Modell „Er macht Karriere und sie verdient hinzu“ – es gibt bessere Wege der Familienförderung, die nicht auf Kosten der finanziellen Unabhängigkeit und Karriereentwicklung der Frauen gehen.
Staat und Unternehmen müssen die Bedingungen dafür schaffen, dass beide Partner sich beruflich engagieren und vollzeitnah arbeiten können und ein Leben mit Kindern und Beruf möglich wird, das für alle Beteiligten lebenswert ist. Auf allen Hierarchieebenen, bis in den Vorstand. Nur so verankern wir nachhaltig mehr Vielfalt in der Führung.
— Die Autoren sind Geschäftsführer der deutsch-schwedischen Allbright-Stiftung, die den Anteil von Frauen in Führunjgspositionen erhöhen möchte (www.allbright-stiftung.de).
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Starke Fakten gegen schwache Floskeln
Warum schaffen es so wenige Frauen bis ganz nach oben? Wenn Männer Phrasen dreschen, helfen kluge Gegenargumente
Quelle: Allbright Stiftung • Tsp/Böttcher
Foto: Hiroshi Watanabe/Getty Images
Erschienen im Tagesspiegel am 12.11.2020
Erschienen im Tagesspiegel am 12.11.2020