Viele Menschen in der Bundesrepublik haben kluge Ideen – und setzten sie um. Jetzt sollen sie stärker vernetzt werden
Von Udo Badelt
Das Bild, das Deutschland in der Pandemiebekämpfung abgibt, ist wenig vorteilhaft. Die Todeszahlen scheinen zwar zu fallen, aber während andere Länder beim Impfen vorpreschen und die Rückgabe von Freiheitsrechten dort absehbar oder bereits vollzogen ist, verharren wir hierzulande in einem „mütenden“ Gemisch aus Frust, Depression, bürokratischer Überreglementierung, schleppender Digitalisierung der Gesundheitsämter und, wie die französische Berlin-Korrespondentin Pascal Hugues im Tagesspiegel schreibt, „an Paranoia grenzenden Datenschutzbestimmungen“. Viel mehr als der Ruf nach noch mehr Lockdown scheint die bundesdeutsche Waffenkammer auch ein Jahr nach Pandemiebeginn nicht herzugeben.
Doch dabei sollte man nicht vergessen, dass es vor allem Politik und Verwaltung sind, die von der Schnelligkeit dieser Krise überfordert sind. Was die Öffentlichkeit weniger wahrnimmt: In der „zweiten Reihe“, in Wissenschaft, Industrie, Umwelttechnik oder Medizin forschen und arbeiten hierzulande nach wie vor viele kluge Köpfe. Wofür gerade die Mainzer Impfstoffentwicklung von Biontech ja nur das jüngste Beispiel ist. Das World Economic Forum zählt Deutschland in seinem Global Competitiveness Index zu den innovativsten Ländern weltweit, mit über 290 Patentanmeldungen pro einer Million Einwohner, die meisten in der Automobil-, aber auch in der Pharmaindustrie (Quelle: Bundesaußenministerium). Nach Zahlen eines anderen Ministeriums, dem für Bildung und Forschung (BMBF), investiert die Bundesrepublik 3,12 Prozent ihrer Wirtschaftsleistung, also 105 Milliarden Euro, in Forschung und Entwicklung. Das BMBF hat die Kampagne #innovationsland-deutschland ins Leben gerufen, die das eher abstrakte Thema mit persönlichen Geschichten anschaulich machen will. Auf dieser Seite stellen wir – stellvertretend für viele andere– vier Menschen vor, die pfiffige Ideen haben und das Selbstvertrauen und die Ausdauer, sie auch in die Tat umzusetzen. Auf einer digitalen Zukunftsarena des BMBF am 15./16. April sollen kreativen Köpfe miteinander vernetzt werden. Udo Badelt
Doch dabei sollte man nicht vergessen, dass es vor allem Politik und Verwaltung sind, die von der Schnelligkeit dieser Krise überfordert sind. Was die Öffentlichkeit weniger wahrnimmt: In der „zweiten Reihe“, in Wissenschaft, Industrie, Umwelttechnik oder Medizin forschen und arbeiten hierzulande nach wie vor viele kluge Köpfe. Wofür gerade die Mainzer Impfstoffentwicklung von Biontech ja nur das jüngste Beispiel ist. Das World Economic Forum zählt Deutschland in seinem Global Competitiveness Index zu den innovativsten Ländern weltweit, mit über 290 Patentanmeldungen pro einer Million Einwohner, die meisten in der Automobil-, aber auch in der Pharmaindustrie (Quelle: Bundesaußenministerium). Nach Zahlen eines anderen Ministeriums, dem für Bildung und Forschung (BMBF), investiert die Bundesrepublik 3,12 Prozent ihrer Wirtschaftsleistung, also 105 Milliarden Euro, in Forschung und Entwicklung. Das BMBF hat die Kampagne #innovationsland-deutschland ins Leben gerufen, die das eher abstrakte Thema mit persönlichen Geschichten anschaulich machen will. Auf dieser Seite stellen wir – stellvertretend für viele andere– vier Menschen vor, die pfiffige Ideen haben und das Selbstvertrauen und die Ausdauer, sie auch in die Tat umzusetzen. Auf einer digitalen Zukunftsarena des BMBF am 15./16. April sollen kreativen Köpfe miteinander vernetzt werden. Udo Badelt
Stephan Wrage, Gründer und Geschäftsführer der Skysails Group GmbH
Windkraft? Da gibt’s doch schon was? Richtig, vor allem Norddeutschland ist bereits relativ üppig besprenkelt mit Windrädern. Doch es gibt etwas, was diese nicht können: Den Höhenwind nutzen. „Ab 200 oder 250 Meter weht der Wind wesentlich stärker und stetiger als in Bodennähe, wo er, je nach Topographie, abgebremst wird“, erklärt Stephan Wrage. Und dabei sei die Energieausbeute dort oben wesentlich größer, sie steige in der dritten Potenz. Das bedeutet: Weht Wind doppelt so stark, kann man acht Mal so viel Energie erzeugen. Weht er drei Mal so stark, 27 mal so viel.
Der gebürtige Hamburger Stephan Wrage hat sich schon als Kind für alles, was mit Wind zusammenhängt, interessiert – und logischerweise auch für Drachen. Die nutzt die von ihm gegründete Firma Skysails, um Energie zu erzeugen. Das funktioniert nicht etwa so, dass Turbinen in die Höhe geliftet werden, die wären viel zu schwer. Vielmehr entsteht die Energie unten auf der Erde: Ein Drachen zieht an einem Seil, das mittels Winde einen Generator antreibt. Ist das Seil zu Ende, wird der Drachen so in den Wind gedreht, dass das Seil ohne großen Widerstand wieder aufrollt werden kann. Danach beginnt, wie bei einem Jojo, die zweite Phase: „Wir nutzen die Windkraft doppelt, beim Aufsteigen und beim Einholen“, sagt Wrage.
Nach seinem Studium des Wirtschaftsingenieurswesens hat er 2001 die Firma gegründet – die sich zunächst auf das Ziehen von Schiffen mit Drachen konzentriert hat. Seit 2015 steht die Energieerzeugung im Vordergrund. Wrage sieht die Drachen nicht in Konkurrenz zu Windrädern, sondern als Ergänzung. „Wir können damit einen entscheidenden Beitrag zur Energiewende leisten“, sagt er. Die Technik sei etwa für kleine und mittelständische Betriebe wie Bauernhöfe interessant, die keinen Platz für Solaranlagen haben. Enormes Potential steckt im Ersatz von Dieselgeneratoren, von denen 7,5 Millionen auf dem Planeten herumstehen und die enorm klimaschädlich sind. Udo Badelt
Windkraft? Da gibt’s doch schon was? Richtig, vor allem Norddeutschland ist bereits relativ üppig besprenkelt mit Windrädern. Doch es gibt etwas, was diese nicht können: Den Höhenwind nutzen. „Ab 200 oder 250 Meter weht der Wind wesentlich stärker und stetiger als in Bodennähe, wo er, je nach Topographie, abgebremst wird“, erklärt Stephan Wrage. Und dabei sei die Energieausbeute dort oben wesentlich größer, sie steige in der dritten Potenz. Das bedeutet: Weht Wind doppelt so stark, kann man acht Mal so viel Energie erzeugen. Weht er drei Mal so stark, 27 mal so viel.
Der gebürtige Hamburger Stephan Wrage hat sich schon als Kind für alles, was mit Wind zusammenhängt, interessiert – und logischerweise auch für Drachen. Die nutzt die von ihm gegründete Firma Skysails, um Energie zu erzeugen. Das funktioniert nicht etwa so, dass Turbinen in die Höhe geliftet werden, die wären viel zu schwer. Vielmehr entsteht die Energie unten auf der Erde: Ein Drachen zieht an einem Seil, das mittels Winde einen Generator antreibt. Ist das Seil zu Ende, wird der Drachen so in den Wind gedreht, dass das Seil ohne großen Widerstand wieder aufrollt werden kann. Danach beginnt, wie bei einem Jojo, die zweite Phase: „Wir nutzen die Windkraft doppelt, beim Aufsteigen und beim Einholen“, sagt Wrage.
Nach seinem Studium des Wirtschaftsingenieurswesens hat er 2001 die Firma gegründet – die sich zunächst auf das Ziehen von Schiffen mit Drachen konzentriert hat. Seit 2015 steht die Energieerzeugung im Vordergrund. Wrage sieht die Drachen nicht in Konkurrenz zu Windrädern, sondern als Ergänzung. „Wir können damit einen entscheidenden Beitrag zur Energiewende leisten“, sagt er. Die Technik sei etwa für kleine und mittelständische Betriebe wie Bauernhöfe interessant, die keinen Platz für Solaranlagen haben. Enormes Potential steckt im Ersatz von Dieselgeneratoren, von denen 7,5 Millionen auf dem Planeten herumstehen und die enorm klimaschädlich sind. Udo Badelt
Cornelia Rauh, Professorin für Lebensmitteltechnologie an der TU Berlin
Apfelsaft wirkt so unschuldig, doch zu seiner Herstellung werden große Mengen Energie benötigt. Cornelia Rau, Professorin der TU Berlin mit dem Fachgebiet Lebensmittelbiotechnologie, hat ein Verfahren mitentwickelt, das bei der Produktion des Saftkonzentrats mittels Gashydrattechnologie 60 Prozent weniger Energie benötigt. „Ich kam mit dem Verfahren zuerst in Südkorea in Kontakt, als Mitglied eines deutsch-koreanischen Forschungsinstitutes“, erzählt sie. Dort wurde die Technologie ganz anderes genutzt: Im Meer vor Südkorea gibt es große Gashydratfelder, also ähnlich wie Eis aussehende Feststoffe auf dem Meeresboden, in denen natürliche Gase wie Methan gebunden sind. Durch die Gashydrattechnologie kann das Gas gewonnen werden, indem es vom Wasser getrennt wird.
Das Prinzip hat Rauh mit Kollegen und Kolleginnen auf die Herstellung von Saftkonzentrat übertragen – in umgekehrter Weise. Bei der Konzentrierung geht es darum, dem Saft Wasser zu entziehen, ohne dass wertvolle Inhaltsstoffe verloren gehen. Bisher werden dafür Verdampfungsverfahren eingesetzt, die wegen der Hitze energieintensiv sind. Bei der Gashydrattechnologie sind deutlich niedrigere Temperaturen ausreichend, die mit hohem Druck kombiniert werden. Das Projekt erfolgte in Kooperation mit der Universität Erlangen-Nürnberg und wurde unter anderem vom Bundeswirtschaftsministerium gefördert. „Wir konnten Apfelsaft auf einem Niveau konzentrieren, das konkurrenzfähig mit den konventionellen Verfahren ist“, bilanziert Rauh.
Sie verbindet Lebensmitteltechnologie mit Strömungsmechanik. In diesem Fach hat sie promoviert und sich mit Simulationen zur Optimierung von Hochdruckprozessen zur Haltbarmachung von Lebensmitteln beschäftigt. In der Strömungsmechanik in der Verfahrenstechnik hat sie dann habilitiert. Sie habe beides liebgewonnen und versucht nun die Kombination. Die Lebensmittelindustrie brauche viel Energie, und sparsamere Prozesse seien immer ein wichtiges Thema, auch in Bezug auf Wasserverbrauch und CO2-Ausstoß. Lennart Banholzer
Apfelsaft wirkt so unschuldig, doch zu seiner Herstellung werden große Mengen Energie benötigt. Cornelia Rau, Professorin der TU Berlin mit dem Fachgebiet Lebensmittelbiotechnologie, hat ein Verfahren mitentwickelt, das bei der Produktion des Saftkonzentrats mittels Gashydrattechnologie 60 Prozent weniger Energie benötigt. „Ich kam mit dem Verfahren zuerst in Südkorea in Kontakt, als Mitglied eines deutsch-koreanischen Forschungsinstitutes“, erzählt sie. Dort wurde die Technologie ganz anderes genutzt: Im Meer vor Südkorea gibt es große Gashydratfelder, also ähnlich wie Eis aussehende Feststoffe auf dem Meeresboden, in denen natürliche Gase wie Methan gebunden sind. Durch die Gashydrattechnologie kann das Gas gewonnen werden, indem es vom Wasser getrennt wird.
Das Prinzip hat Rauh mit Kollegen und Kolleginnen auf die Herstellung von Saftkonzentrat übertragen – in umgekehrter Weise. Bei der Konzentrierung geht es darum, dem Saft Wasser zu entziehen, ohne dass wertvolle Inhaltsstoffe verloren gehen. Bisher werden dafür Verdampfungsverfahren eingesetzt, die wegen der Hitze energieintensiv sind. Bei der Gashydrattechnologie sind deutlich niedrigere Temperaturen ausreichend, die mit hohem Druck kombiniert werden. Das Projekt erfolgte in Kooperation mit der Universität Erlangen-Nürnberg und wurde unter anderem vom Bundeswirtschaftsministerium gefördert. „Wir konnten Apfelsaft auf einem Niveau konzentrieren, das konkurrenzfähig mit den konventionellen Verfahren ist“, bilanziert Rauh.
Sie verbindet Lebensmitteltechnologie mit Strömungsmechanik. In diesem Fach hat sie promoviert und sich mit Simulationen zur Optimierung von Hochdruckprozessen zur Haltbarmachung von Lebensmitteln beschäftigt. In der Strömungsmechanik in der Verfahrenstechnik hat sie dann habilitiert. Sie habe beides liebgewonnen und versucht nun die Kombination. Die Lebensmittelindustrie brauche viel Energie, und sparsamere Prozesse seien immer ein wichtiges Thema, auch in Bezug auf Wasserverbrauch und CO2-Ausstoß. Lennart Banholzer
Thomas Korn, Gründer und Chef des Münchener Motorenentwicklers Keyou
Wenn von emissionsfreien Lkw die Rede ist, denken viele an Fahrzeuge, die mit Batterie fahren oder mit Brennstoffzelle plus Akku. Aber ein klassischer Hubkolbenmotor, der mit Wasserstoff befeuert wird? Für Thomas Korn ist das nicht verrückt. Der Gründer und Chef des Münchener Motorenentwicklers Keyou ist seit Jahrzehnten Wasserstoff-Fan. Bei BMW hat der Ingenieur für technische Physik lange an der Brennstoffzelle und am Wasserstoffmotor gearbeitet, kennt also beide Techniken. „Bei der Brennstoffzelle hat es seit 15 Jahren keinen Technologiesprung gegeben“, sagt er. Keyou hingegen entwickele seine Wasserstoffmotoren permanent weiter. Der Hubkolbenmotor sei robuster, die Ansprüche an die Qualität des Wasserstoffs weniger hoch, der Aufwand für Kühlung geringer. Und günstiger sei er auch.
Damit ein Motor mit Wasserstoff statt Benzin oder Diesel fahren kann, muss an Einspritzung, Verbrennungsprozess und Turbolader einiges geändert werden. Keyou zielt auf neue Nutzfahrzeuge, nicht auf gebrauchte, die Umrüstung würde sich nicht lohnen. Für die Hersteller neuer Motoren haben die Münchener die Soft- und Hardware entwickelt. Das Verfahren für die Bildung des Gemischs und dessen Verbrennung passt auf verschiedene Größen von Motoren und kann schnell in Serienproduktion gehen. Der Wasserstoff kommt aus einem Druckgasbehälter mit 350 bar. Das ist kostengünstiger als die 700 bar beim Brennstoffzellen-Pkw. Der Wasserstoff wird entweder außerhalb der Brennkammer mit Luft vermischt oder direkt eingespritzt. Die ganze Technik lässt sich sowohl auf bisherige Dieselmotoren als auch auf Benziner anwenden.
Thomas Korn, 52, hat nach dem Ingenieursstudium bei BMW seine Diplomarbeit geschrieben und in der Entwicklungsabteilung an der Brennstoffzelle gearbeitet. Dann baute er den 7er BMW mit, der von einem Verbrennungsmotor mit Wasserstoff angetrieben wurde. 2006 ging er für den Autobauer nach Kalifornien und leitete das Fahrzeugprogramm für Nordamerika. Der kurzweiligste Teil des Jobs: Über Leasing wurden Stars wie Brad Pitt, Pierce Brosnan und Edward Norton mit Wasserstoff-BMWs versorgt. Dann forderte die Regierung von Kalifornien einen gewissen Anteil von Zero-Emission-Fahrzeugen, die Wasserstoff-Verbrenner wurden nicht anerkannt. „Es war eine politische Entscheidung zugunsten der E-Mobilität“, sagt Korn. Elon Musk sei schon damals sehr aktiv gewesen.
Wenn von emissionsfreien Lkw die Rede ist, denken viele an Fahrzeuge, die mit Batterie fahren oder mit Brennstoffzelle plus Akku. Aber ein klassischer Hubkolbenmotor, der mit Wasserstoff befeuert wird? Für Thomas Korn ist das nicht verrückt. Der Gründer und Chef des Münchener Motorenentwicklers Keyou ist seit Jahrzehnten Wasserstoff-Fan. Bei BMW hat der Ingenieur für technische Physik lange an der Brennstoffzelle und am Wasserstoffmotor gearbeitet, kennt also beide Techniken. „Bei der Brennstoffzelle hat es seit 15 Jahren keinen Technologiesprung gegeben“, sagt er. Keyou hingegen entwickele seine Wasserstoffmotoren permanent weiter. Der Hubkolbenmotor sei robuster, die Ansprüche an die Qualität des Wasserstoffs weniger hoch, der Aufwand für Kühlung geringer. Und günstiger sei er auch.
Damit ein Motor mit Wasserstoff statt Benzin oder Diesel fahren kann, muss an Einspritzung, Verbrennungsprozess und Turbolader einiges geändert werden. Keyou zielt auf neue Nutzfahrzeuge, nicht auf gebrauchte, die Umrüstung würde sich nicht lohnen. Für die Hersteller neuer Motoren haben die Münchener die Soft- und Hardware entwickelt. Das Verfahren für die Bildung des Gemischs und dessen Verbrennung passt auf verschiedene Größen von Motoren und kann schnell in Serienproduktion gehen. Der Wasserstoff kommt aus einem Druckgasbehälter mit 350 bar. Das ist kostengünstiger als die 700 bar beim Brennstoffzellen-Pkw. Der Wasserstoff wird entweder außerhalb der Brennkammer mit Luft vermischt oder direkt eingespritzt. Die ganze Technik lässt sich sowohl auf bisherige Dieselmotoren als auch auf Benziner anwenden.
Thomas Korn, 52, hat nach dem Ingenieursstudium bei BMW seine Diplomarbeit geschrieben und in der Entwicklungsabteilung an der Brennstoffzelle gearbeitet. Dann baute er den 7er BMW mit, der von einem Verbrennungsmotor mit Wasserstoff angetrieben wurde. 2006 ging er für den Autobauer nach Kalifornien und leitete das Fahrzeugprogramm für Nordamerika. Der kurzweiligste Teil des Jobs: Über Leasing wurden Stars wie Brad Pitt, Pierce Brosnan und Edward Norton mit Wasserstoff-BMWs versorgt. Dann forderte die Regierung von Kalifornien einen gewissen Anteil von Zero-Emission-Fahrzeugen, die Wasserstoff-Verbrenner wurden nicht anerkannt. „Es war eine politische Entscheidung zugunsten der E-Mobilität“, sagt Korn. Elon Musk sei schon damals sehr aktiv gewesen.
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2011 ging er zum Start-up Alset nach Graz, wo die Tüftler einen Zwölfzylinder im Sportwagen des Aston-Martin-Chefs Ulrich Bez auf Wasserstoff umrüsteten. Bez erreichte damit auf dem Nürburgring problemlos das Ziel. Trotzdem rutschte Alset 2014 in die Insolvenz. Bei Keyou sieht es besser aus. Das Unternehmen hat zurzeit 40 Mitarbeiter innen und Mitarbeiter und wächst schnell. Für 2023 sind Gewinne geplant. Am Anfang scherzte Korn: „Die ersten Investoren waren FFF – Family, Friends and Fools.“ Doch es war kein Fool dabei. Gerade eben ist das Unternehmen von Unterschleißheim nach München gezogen, in die Nähe von Hauptbahnhof und Augustiner-Biergartens. „Ich hoffe, dass die Kollegen im Sommer nicht alle Meetings dort abhalten werden“, sagt Korn und lacht. Er plant offenbar schon für die Zeit nach der Pandemie. Seine Freizeit verbringt er beim Fliegenfischen oder mit Frau, Sohn und Tochter, 14 und zwölf. Die gehen auch zur „FFF“ – um für mehr Klimaschutz zu demonstrieren. Ihr Vater steht auf ihrer Seite. Jens Tartler
Regina Schmeer, Pflegewissenschaftlerin an der Medizinischen Hochschule Hannover
Das Wort „Zukunft“ hat immer so einen utopischen, optimistischen Klang. Dabei bringt Zukunft wohl weniger fliegende Autos und die Besiedelung des Mars als vielmehr, weitaus irdischer und menschlicher, für viele vor allem eines: Pflegebedürftigkeit. Angesichts einer alternden Bevölkerung ist Pflege ein absolutes Zukunftsthema. Regina Schmeer gehört zu denen, die sich beruflich damit auseinandersetzen, wie Pflege aussehen kann. Die ausgebildete Krankenschwester hat sich zur Lehrerin für Pflege weitergebildet und leitet heute die Stabsstelle Pflegewissenschaft an der Medizinischen Hochschule Hannover und hat dort, mit Unterstützung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung, eine unfallchirurgische Station mit 28 Betten zu einer „Station der Zukunft“ umgebaut. Hier liegen neben Hochbetragten mit Oberschenkelhalsbruch oder Demenz auch Jüngere, etwa nach einem Motorradunfall.
„Auf den ersten Blick“, erzählt Schmeer“, „unterscheidet sich so eine Station nicht von jeder anderen.“ Es sind die Details, die zählen. „Wir haben zunächst eine Umfrage unter Pflegekräften gemacht, was aus ihrer Sicht am wichtigsten ist.“ Als eines der größten Probleme wurde das Wundliegen im Bett identifiziert. Spezielle Dekubitus-Matratzen sorgen über ein motorenbetriebenes Luftpolster dafür, dass Patient oder Patientin automatischimmer ein wenig anders positioniert werden. Ein weiterer Wunsch: Laufwege zu reduzieren. Rund zehn Kilometer läuft eine Pflegekraft pro Schicht, hat man herausgefunden. Auf der „Station der Zukunft“ können Patienten mittels Smartphone oder über eine Klingelanlage nicht nur die Pflegekraft rufen, sondern dieser auch gleich kommunizieren, worum es geht, so dass sie eventuell das passende Medikament gleich mitbringen kann. Technische Stützsysteme wie Exoskelette – eine Art Nierengurt – entlasten die Bandscheiben, wenn es darum geht, Erkrankte zu positionieren.
Roboter, die ja für viele zur „Zukunft“ dazu gehören, sind hier übrigens kaum im Einsatz, außer zur Desinfektion von Türen. Digitalisierung in der Pflege, das bedeutet für Regina Schmeer vor allem, dass Strukturen miteinander vernetzt werden und Dokumente beispielsweise nicht mehrfach ausgefüllt werden. Sie vergleicht die Digitalisierung mit Datenautobahnen – aber das Wesentliche, die Handarbeit, die tatsächliche Pflege eines Menschen, kann sie nicht ersetzen. Generell glaubt sie, dass wir in der Zukunft eine andere Pflegelandschaft bekommen, in der Sichtweise und Erfahrungen der Pflegenden eine deutlich größere Rolle spielen werden. Udo Badelt
Das Wort „Zukunft“ hat immer so einen utopischen, optimistischen Klang. Dabei bringt Zukunft wohl weniger fliegende Autos und die Besiedelung des Mars als vielmehr, weitaus irdischer und menschlicher, für viele vor allem eines: Pflegebedürftigkeit. Angesichts einer alternden Bevölkerung ist Pflege ein absolutes Zukunftsthema. Regina Schmeer gehört zu denen, die sich beruflich damit auseinandersetzen, wie Pflege aussehen kann. Die ausgebildete Krankenschwester hat sich zur Lehrerin für Pflege weitergebildet und leitet heute die Stabsstelle Pflegewissenschaft an der Medizinischen Hochschule Hannover und hat dort, mit Unterstützung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung, eine unfallchirurgische Station mit 28 Betten zu einer „Station der Zukunft“ umgebaut. Hier liegen neben Hochbetragten mit Oberschenkelhalsbruch oder Demenz auch Jüngere, etwa nach einem Motorradunfall.
„Auf den ersten Blick“, erzählt Schmeer“, „unterscheidet sich so eine Station nicht von jeder anderen.“ Es sind die Details, die zählen. „Wir haben zunächst eine Umfrage unter Pflegekräften gemacht, was aus ihrer Sicht am wichtigsten ist.“ Als eines der größten Probleme wurde das Wundliegen im Bett identifiziert. Spezielle Dekubitus-Matratzen sorgen über ein motorenbetriebenes Luftpolster dafür, dass Patient oder Patientin automatischimmer ein wenig anders positioniert werden. Ein weiterer Wunsch: Laufwege zu reduzieren. Rund zehn Kilometer läuft eine Pflegekraft pro Schicht, hat man herausgefunden. Auf der „Station der Zukunft“ können Patienten mittels Smartphone oder über eine Klingelanlage nicht nur die Pflegekraft rufen, sondern dieser auch gleich kommunizieren, worum es geht, so dass sie eventuell das passende Medikament gleich mitbringen kann. Technische Stützsysteme wie Exoskelette – eine Art Nierengurt – entlasten die Bandscheiben, wenn es darum geht, Erkrankte zu positionieren.
Roboter, die ja für viele zur „Zukunft“ dazu gehören, sind hier übrigens kaum im Einsatz, außer zur Desinfektion von Türen. Digitalisierung in der Pflege, das bedeutet für Regina Schmeer vor allem, dass Strukturen miteinander vernetzt werden und Dokumente beispielsweise nicht mehrfach ausgefüllt werden. Sie vergleicht die Digitalisierung mit Datenautobahnen – aber das Wesentliche, die Handarbeit, die tatsächliche Pflege eines Menschen, kann sie nicht ersetzen. Generell glaubt sie, dass wir in der Zukunft eine andere Pflegelandschaft bekommen, in der Sichtweise und Erfahrungen der Pflegenden eine deutlich größere Rolle spielen werden. Udo Badelt
Fotos: Getty Images, Skysails Group, privat, Keyou GmbH, Medizinische Hochschule Hannover
Erschienen im Tagesspiegel am 12.04.2021
Erschienen im Tagesspiegel am 12.04.2021