Auf dem Gärtnerinnenhof Blumberg wird klimafreundlich gewirtschaftet. Die EU will solche Kleinbetriebe stärken – dafür braucht es mehr junge Landwirt:innen
Von Alicia Prager
„Für die jungen Kohlrabi-Setzlinge war es eine ziemlich kalte Nacht“, sagt die Landwirtin Maria Natt, als sie an einem Aprilmorgen über ihre Anbaufläche in Blumberg, nordöstlich von Berlin, spaziert. Bei dem Beet angekommen, kniet sie sich auf den Boden und hebt das weiße Vlies an, das die Gemüse vor der Kälte schützt. Die kleinen Pflänzchen lassen die Blätter hängen. „Die erholen sich wieder“, erklärt die 32-Jährige. Dahinter wachsen Lauchzwiebel und Grünkohl, daneben ist eine Zwischenfruchtmischung angebaut, die den Humus anreichert. Rund 50 verschiedene Kulturen pflanzen Maria Natt und ihre Geschäftspartnerin Isy Burmeister auf den 5,7 Hektar, die zu ihrem Gärtnerinnenhof gehören.
Zwischen den Anbaustreifen stehen einige Gewächshäuser und an einem Rand des Hofes wachsen Obstbäume. Dahinter erstreckt sich am Horizont eine große grüne Fläche. Dort baut der Nachbarbetrieb Raps an. „Zunächst sieht das sehr idyllisch aus, aber wenn man genauer hinschaut, merkt man, wie kaputt die Böden da draußen sind“, sagt Natt. Da draußen, also jenseits ihres Biohofs.
Viele Jahrzehnte industrieller Landwirtschaft haben die Äcker ausgelaugt. „Noch dazu ist diese Bewirtschaftung ineffektiv“, beklagt sie. Die Qualität sei schlecht und die Kosten, die dieses Modell mit seinen Pestiziden und Umweltschäden verursache, seien viel zu hoch. Ohne EU-Subventionen würden viele der Großbetriebe in Konkurs gehen, sagt Natt mit zunehmend lauter Stimme. Wo bleibt denn da der Umweltschutz, von dem alle sprechen?
Zwischen den Anbaustreifen stehen einige Gewächshäuser und an einem Rand des Hofes wachsen Obstbäume. Dahinter erstreckt sich am Horizont eine große grüne Fläche. Dort baut der Nachbarbetrieb Raps an. „Zunächst sieht das sehr idyllisch aus, aber wenn man genauer hinschaut, merkt man, wie kaputt die Böden da draußen sind“, sagt Natt. Da draußen, also jenseits ihres Biohofs.
Viele Jahrzehnte industrieller Landwirtschaft haben die Äcker ausgelaugt. „Noch dazu ist diese Bewirtschaftung ineffektiv“, beklagt sie. Die Qualität sei schlecht und die Kosten, die dieses Modell mit seinen Pestiziden und Umweltschäden verursache, seien viel zu hoch. Ohne EU-Subventionen würden viele der Großbetriebe in Konkurs gehen, sagt Natt mit zunehmend lauter Stimme. Wo bleibt denn da der Umweltschutz, von dem alle sprechen?
Jenseits ihres Biohofs ist die Erde komplett ausgelaugt
Die Landwirtschaftspolitik steht derzeit auf dem Prüfstand. Seit Monaten diskutieren die EU-Länder über die Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) – dem größten Posten im europäischen Haushalt. Rund 387 Milliarden Euro gibt es bis 2027 auf alle Mitgliedsstaaten zu verteilen – das ist mehr als ein Drittel des gesamten EU-Budgets. Einige Details darüber, nach welchen Kriterien die Fördergelder vergeben werden sollen, sind weiterhin offen. Dabei sorgen vor allen die Direktzahlungen und ihre Verknüpfung an Flächenprämien für Diskussion. Bisher gilt: je größer der Betrieb, desto höher die Subventionen. So erhielt der Gärtnerinnenhof Blumberg für die drei Hektar, die vergangenes Jahr bewirtschaftet wurden, rund 1 300 Euro EU-Förderung, während die jährlichen Ausgaben bei etwa 200 000 Euro liegen. Bei Großbetrieben sind die Subventionen ungleich höher. Das führt dazu, dass 1,7 Prozent der Landwirt:innen mit den größten Betriebsflächen rund ein Viertel der Direktförderung erhalten, rechnet der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland.
Dass die Ackerflächen über die Jahre immer größer wurden und die Bewirtschaftung intensiver, sei ein Trend, der den Verlust der Artenvielfalt beschleunige, warnte der Europäische Rechnungshof vergangenes Jahr. Zwar gebe es einige vielversprechende Instrumente in der GAP, doch hätten die Kommission und die Mitgliedsstaaten jene Optionen mit geringer Wirkung zu stark gewichtet, kritisierte der Rechnungshof das Modell der Flächenprämien. Im Rahmen der GAP-Reform sollen die Bedingungen verbessert werden – etwa mithilfe der Ökoregelungen, den sogenannten Eco-Schemes. Sie sind ein neues Instrument, mit dem Landwirt:innen belohnt werden, wenn sie beim Umwelt- und Klimaschutz einen Schritt weitergehen. Zum Beispiel durch die Errichtung von mehr Grünstreifen oder Agroforstsystemen.
Auf EU-Ebene wird jetzt diskutiert, ob 20 oder 30 Prozent der Direktzahlungen an solche Ökoregelungen geknüpft werden sollen. Die deutsche Agrarministerkonferenz hat sich unterdessen auf 25 Prozent verständigt.
Dass die Ackerflächen über die Jahre immer größer wurden und die Bewirtschaftung intensiver, sei ein Trend, der den Verlust der Artenvielfalt beschleunige, warnte der Europäische Rechnungshof vergangenes Jahr. Zwar gebe es einige vielversprechende Instrumente in der GAP, doch hätten die Kommission und die Mitgliedsstaaten jene Optionen mit geringer Wirkung zu stark gewichtet, kritisierte der Rechnungshof das Modell der Flächenprämien. Im Rahmen der GAP-Reform sollen die Bedingungen verbessert werden – etwa mithilfe der Ökoregelungen, den sogenannten Eco-Schemes. Sie sind ein neues Instrument, mit dem Landwirt:innen belohnt werden, wenn sie beim Umwelt- und Klimaschutz einen Schritt weitergehen. Zum Beispiel durch die Errichtung von mehr Grünstreifen oder Agroforstsystemen.
Auf EU-Ebene wird jetzt diskutiert, ob 20 oder 30 Prozent der Direktzahlungen an solche Ökoregelungen geknüpft werden sollen. Die deutsche Agrarministerkonferenz hat sich unterdessen auf 25 Prozent verständigt.
Maria Natt verkauft ihre Ernte auf dem Ökomarkt Schönleinstraße in Berlin
Doch die Reformpläne stoßen auf Widerstand: Viele Betriebe fürchten den Verlust der Direktzahlungen, die sie für die kommenden Jahre eingeplant haben. Lange habe die Politik Signale gesendet, die zur Vergrößerung von Anbauflächen und der Intensivierung geführt haben. „Jetzt rückt gleichzeitig die Nachhaltigkeit in den Fokus – viele Landwirt:innen sitzen zwischen den Stühlen“, sagt Natt. Sie könne den Frust der Kolleg:innen gut nachvollziehen. Auch sie selbst wollte früher in einem Großbetrieb arbeiten und „so richtig viele Leute ernähren“, erzählt sie. Doch die großen Strukturen und die stetige Effizienzsteigerung würden immer auf Kosten der Vielfalt gehen. „Wir können hier auch auf kleiner Fläche viele Menschen ernähren. Wir haben dabei den Humus verbessert und zwölf gute Arbeitsplätze geschaffen“, sagt die Landwirtin. Wolle man ländliche Strukturen und gleichzeitig die Biodiversität stärken, müsse man auf kleinere Betriebe setzen – weg von Flächenprämien, hin zu Anreizen für höhere ökologische Standards. „Das belebt gleichzeitig den ländlichen Raum wieder“, sagt Maria Natt.
In den vergangenen Jahrzehnten ging die Entwicklung aber in die entgegengesetzte Richtung: Zwischen 2007 und 2019 sank die Zahl der Betriebe um mehr als 17 Prozent, rechnet der Bauernbund. Das sei vor allem mit dem Schwund kleinerer Höfe zu erklären, denn die Zahl der Betriebe mit über 100 Hektar nahm zu. „Dabei gibt es genügend Menschen, die in die Landwirtschaft gehen wollen“, sagt Willi Lehnert vom Bündnis Junge Landwirtschaft e.V.. Er versucht, beim Einstieg zu unterstützen, doch die Rahmenbedingungen seien alles andere als ideal. Es gebe kaum einen kapitalintensiveren Beruf, und dazu seien auch noch die Flächenpreise in den vergangenen Jahren stark gestiegen. Während ein Hektar im Jahr 2006 rund 3 000 Euro kostete, liegen die Preise in Brandenburg heute bei bis zu 30 000 Euro. „Dabei ist Brandenburg nicht an der Spitze, in Bayern oder Nordrhein-Westfalen ist das Level bereits viel höher“, sagt Lehnert.
In den vergangenen Jahrzehnten ging die Entwicklung aber in die entgegengesetzte Richtung: Zwischen 2007 und 2019 sank die Zahl der Betriebe um mehr als 17 Prozent, rechnet der Bauernbund. Das sei vor allem mit dem Schwund kleinerer Höfe zu erklären, denn die Zahl der Betriebe mit über 100 Hektar nahm zu. „Dabei gibt es genügend Menschen, die in die Landwirtschaft gehen wollen“, sagt Willi Lehnert vom Bündnis Junge Landwirtschaft e.V.. Er versucht, beim Einstieg zu unterstützen, doch die Rahmenbedingungen seien alles andere als ideal. Es gebe kaum einen kapitalintensiveren Beruf, und dazu seien auch noch die Flächenpreise in den vergangenen Jahren stark gestiegen. Während ein Hektar im Jahr 2006 rund 3 000 Euro kostete, liegen die Preise in Brandenburg heute bei bis zu 30 000 Euro. „Dabei ist Brandenburg nicht an der Spitze, in Bayern oder Nordrhein-Westfalen ist das Level bereits viel höher“, sagt Lehnert.
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Auch die Europäische Kommission will bei der Existenzgründung in der Landwirtschaft unterstützen. Das ist ein erklärtes Ziel der neuen GAP. Zur Umsetzung dieses Vorhabens schlugen acht landwirtschaftliche Verbände im März unter anderem vor, eine bundesweite Niederlassungsprämie einzuführen, wie sie bereits in Frankreich und Sachsen-Anhalt vergeben wird. Dort sind die Gelder an einen robusten Geschäftsplan, Mindestberufsqualifikationen und einen Fortbildungsplan geknüpft.
Auch die Betreiberinnen des Gärtnerinnenhofs Blumberg sehen Aufholbedarf beim Thema Fortbildungen. „Es fehlt an Menschen, die sich gut mit Böden und Biodiversität auskennen. Hier auf dem Hof haben wir immer ein bis zwei Azubis, aber wir müssen öfter Bewerber ablehnen“, sagt Natt. Ein besseres Ausbildungsangebot wäre für die Entwicklung des ländlichen Raums entscheidend. Es brauche mehr Hände, die Kohlrabi-Setzlinge gut durch kalte Nächte bringen, den Boden neu anreichern und sich gegen das Artensterben stemmen.
Mit etwas mehr Unterstützung könnten kleine Betriebe viel bewegen, davon sind die Landwirtinnen fest überzeugt.
Auch die Betreiberinnen des Gärtnerinnenhofs Blumberg sehen Aufholbedarf beim Thema Fortbildungen. „Es fehlt an Menschen, die sich gut mit Böden und Biodiversität auskennen. Hier auf dem Hof haben wir immer ein bis zwei Azubis, aber wir müssen öfter Bewerber ablehnen“, sagt Natt. Ein besseres Ausbildungsangebot wäre für die Entwicklung des ländlichen Raums entscheidend. Es brauche mehr Hände, die Kohlrabi-Setzlinge gut durch kalte Nächte bringen, den Boden neu anreichern und sich gegen das Artensterben stemmen.
Mit etwas mehr Unterstützung könnten kleine Betriebe viel bewegen, davon sind die Landwirtinnen fest überzeugt.
Fotos: Sven Darmer
Erschienen im Tagesspiegel am 10.04.2021
Erschienen im Tagesspiegel am 10.04.2021