Vererben & Stiften 2021

Und was wird mit mir?

Haustierbesitzer, die ihre Lieblinge absichern und dabei Gutes tun möchten, können an den Tierschutz vererben

Von Aleksandra Lebedowicz

Der Verlust ihres Vaters gab ihr den Anstoß, ernsthaft über den eigenen Tod nachzudenken. Irgendwann kam Katja Brohl mit ihrem Ehemann Markus auf die Idee, einen Notfallordner anzulegen. „Wir haben eine ziemliche Aufräumaktion gestartet“, erzählt sie. Wo sind die wichtigen Unterlagen? Welche Vermögenswerte gibt es? Und vor allem: Wer kümmert sich um Herrn Tim, ihren liebsten Kater, wenn sie plötzlich nicht mehr da sind? „Unser kleiner Prinz“, sagen die Brohls, „für ihn wäre das natürlich eine Katastrophe“.

Viele Tierhalter*innen möchten ihre treuen Begleiter bereits zu Lebzeiten absichern. „Tiere können nach deutschem Recht nicht erben“, sagt Rechtsanwältin Reenke Buhr. Damit sie nach dem Tod der Besitzer*innen in gute Hände geraten und nahtlos versorgt werden, sollte man im Testament immer eine Person oder eine Organisation bestimmen, die dafür Sorge trägt. Die Brohls haben deshalb den Deutschen Tierschutzbund als Erben eingesetzt. Seitdem tragen sie eine Notallkarte im Portemonnaie, die jedes Fördermitglied erhalten kann. „Es ist wie ein Organspendeausweis“, sagt Katja Brohl. Darauf wird vermerkt, dass ein Tier zu Hause wartet und wer es im Krankheits- oder Todesfall versorgen soll.

„Man weiß nie, wann der ,Tag X‘ kommt“, sagt Evelyn Ofensberger, die die Rechtsabteilung im Deutschen Tierschutzbund leitet. „Wir haben bundesweit ein breites Netz von Vereinen und Tierheimen und können schnell Helfer abstellen, die das Tier in Obhut nehmen.“ Ofensberger rät dazu, eine Art Steckbrief über seinen Liebling zu verfassen und dort auf Eigenarten, Allergien und Krankheiten hinzuweisen. Das hilft, das Tier adäquat zu versorgen und einen bestmöglichen Pflegeplatz zu finden.

Im Krankheits- oder Todesfall wird das Tier sofort in Obhut genommen und versorgt

„Natürlich trauern die Tiere, aber die Trauer geht vorüber und dann können sie sich durchaus an neue Besitzer gewöhnen“, sagt Ofensberger und betont: Im Tierschutzbund werde kein Tier ohne Pflegeschutzvertrag vermittelt, der eine Rückholklausel beinhaltet. Das bedeutet: Wird das Tier nicht ordentlich gehalten oder erkranken die Pfleger und sind nicht mehr in der Lage, sich zu kümmern, wird der Vertrag widerrufen und das Tier zurückgeholt, erklärt die Expertin.

Dass es Herrn Tim gut geht, sollte er seine Besitzer überleben, war für die 58-jährige Katja Brohl und ihren zwei Jahre älteren Mann ein wichtiges Argument, an den Tierschutzbund zu vererben. Aber nicht das einzige. „Wir haben ein Herz für Vierbeiner“, sagt das Ehepaar. Sie spenden seit Langem für Tierheime und unterstützen den lokalen Katzenschutzbund in ihrer Stadt Wuppertal. Weil sie keine Kinder haben, waren sich die Brohls einig, dass sie mit ihrem Erbe in Zukunft Tieren helfen möchten.

Der karitative Aspekt stünde für viele im Vordergrund, sagt Evelyn Ofensberger. Seit 33 Jahren ist im Tierschutzbund tätig, hat etliche Beratungsgespräche geführt und immer wieder den gleichen Satz gehört: Menschen haben mich so oft enttäuscht, ein Tier noch nie.

Dabei sprechen nicht nur persönliche Gründe dafür, eine Non-Profit-Organisation im Testament zu bedenken. Auch finanziell lohnt es sich: Seriöser Tierschutz ist von den Finanzbehörden als gemeinnützig anerkannt. Das heißt, es fallen keinerlei Erbschaftssteuer an, der gesamte Nachlass kann somit für den guten Zweck verwendet werden. Zum Vergleich: Für Geschwister eines Erblassers gilt ein Freibetrag von 20 000 Euro. Liegt das Erbe darüber, muss es mit 30 Prozent versteuert werden. „Das will doch kein Mensch!“, sagt Ofensberger.
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Tierschutz. Weltweit.
Damit der Nachlass tatsächlich Gutes bewirken kann, muss der letzte Wille klar und übersichtlich formuliert werden. „Handschriftliches Testament ist dabei genauso wirksam wie notarielles“, erklärt Ofensberger. Der Erblasser muss es von Anfang bis Ende mit eigener Hand schreiben und mit Ort, Datum und Unterschrift versehen. „Ich rate wirklich jedem dazu, sich nicht zu scheuen, das Testament dann beim Amtsgericht zu hinterlegen“, sagt die Expertin. Die Hinterlegung kostet 75 Euro. Das Geld ist immer dann fällig, wenn Änderungen im Testament vorgenommen werden. Hinzu kommen einmalig 18 Euro für die Anmeldung im Zentralregister der Bundesnotarkammer. Dies hat den Vorteil, dass das Dokument nicht verloren geht und schnellstmöglich eröffnet wird, weil Kommunen beim Ausstellen einer Sterbeurkunde Zugriff auf das Register haben.

Wer sich für ein notarielles Testament entscheidet, muss tiefer in die Tasche greifen. „Der Notar fragt nach dem Nachlassvermögen und schaut in seiner Gebührentabelle nach dem Streitwert“, erläutert Ofensberger. Das kann durchaus teuer werden. Grundsätzlich gilt: Je größer das Erbe, desto höher die Kosten. Doch es gibt einen Vorteil: Man spart Zeit. Bei einem eigenhändigen Testament muss zunächst ein Erbschein beantragt werden, um den Nachlass zu bekommen. Das kann sechs bis acht Wochen dauern. Bei der notariellen Variante fällt diese Wartezeit weg, weil das Testament zusammen mit dem Eröffnungsprotokoll ein legitimer Nachweis ist, um etwa auf Bankkonten zuzugreifen.

Auch finanziell lohnt es sich: Auf den gesamten Nachlass fällt keine Erbschaftsteuer an

Wer ein privates Testament schreibt, sollte schwammige Formulierungen unbedingt vermeiden. Tipps zum Verfassen findet man in der Informationsbroschüre des Deutschen Tierschutzbundes. Bei Fragen stehen auch Evelyn Ofensberger und ihr Team beratend zur Seite – und zeigen auf Wunsch Alternativen auf. „Ich erhalte viele Testamente, die man kaum auslegen kann“, berichtet die Rechtsanwältin. Das kann fatale Folgen haben: Bei ungültigen Testamenten tritt die gesetzliche Erbfolge in Kraft. Genau das ist aber oft unerwünscht. Außerdem sollten Vererbende im Testament prophylaktisch vermerken, dass auch für ausländisches Vermögen – ein Sparbuch zum Beispiel oder eine Ferienwohnung–, deutsches Erbrecht zur Anwendung kommt.

In einem Beratungsgespräch erläutert Evelyn Ofensberger Schritt für Schritt, wie eine Nachlassabwicklung abläuft. „Die meisten Menschen haben davon keine Ahnung“, sagt sie. Wer an den Tierschutzbund vererbt, muss zum Beispiel keinen kostenträchtigen Testamentsvollstrecker dazwischenschalten. Das übernimmt die Rechtsabteilung. Anwälte und ein Objektverwalter, die mit zertifizierten Gutachtern und Maklern zusammenarbeiten, können alles Nötige in die Wege leiten: die Immobilie sauber räumen, Mietverträge ordentlich lösen und den Nachlass bestmöglich verwerten. „Wenn gewünscht, kümmern wir uns auch um die Bestattung“, sagt Ofensberger. Dafür sei nur eine Vollmacht nötig.
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Stiftung Naturschutz Berlin
Evangelisches Johannesstift SbR Freundeskreis
Dass die Wünsche der Erblasser*innen auch tatsächlich erfüllt werden, darüber wacht im Tierschutzbund ein externes Aufsichtsorgan. Jedes Jahr werden die Nachlassakten gesichtet und die Umsetzung der Auflagen genau kontrolliert. Die professionelle Nachlassverwaltung war auch für Katja und Markus Brohl ein wichtiges Kriterium. Sie haben mehrere, intensive Telefongespräche mit Evelyn Ofensberger geführt. Das hat sie in ihrem Vorhaben bestärkt. „Unser Geld wird dort richtig eingesetzt“, sagen sie. Der Tierschutzbund ist so weit gefächert, dass er praktisch jeden Wunsch erfüllen kann. Doch es gibt eine klare Ausnahme: Manche Besitzer möchten, dass ihr Tier eingeschläfert wird, wenn sie sterben. „Das machen wir definitiv nicht“, sagt Evelyn Ofensberger. Auch für kranke Tiere wird ein neues Zuhause gesucht, alte kommen oft in Seniorenprojekte.

Die Brohls sind froh, dass sie ihren Nachlass frühzeitig geregelt haben. Auch wenn es nicht einfach war. „Es ist schon ein großer Akt“, sagen sie, „aber wir sind ruhiger und können jetzt loslassen“.
Foto: Getty Images
Erschienen im Tagesspiegel am 13.09.2021