Vererben & Stiften 2021

Für immer beisammen

Familienunternehmer, die ihr Lebenswerk erhalten und das Vermögen vor Zersplitterung schützen möchten, können das über eine Stiftung regeln

Von Veronika Csizi

Zum 75-jährigen Firmenjubiläum berief Stefan Voelkel mit seiner Schwester und seinen vier Söhnen den Familienrat ein, um zu beratschlagen, wie es mit ihrem Biosaft-Unternehmen langfristig weitergehen solle. Um „sicherzustellen, dass der Kerngedanke meiner Großeltern und meines Vaters erhalten bleibt“ und auch künftige Generationen „den Schwerpunkt auf hochwertige Naturkostsäfte“ legen, gründeten die Voelkels eine Familienstiftung und übertrugen ihr 90 Prozent der Firmenanteile. Im Kuratorium der Stiftung sitzen nun die vier Söhne, Stiftungsvorstand und damit Unternehmenslenker ist Stefan Voelkel selbst.

Den unternehmerischen Weg der Biosaft-Familie Voelkel sind eine ganze Reihe weiterer deutscher Familien gegangen, darunter auch die Gründer beziehungsweise Eigner mehrerer Milliarden-Konzerne. Familienstiftungen gegründet haben etwa der Brillen-Riese Fielmann oder die Bofrost-Familie Boquoi. Reinhold Würth, Senior des Schraubenimperiums Würth, brachte bereits vor knapp 35 Jahren das Unternehmen mit heute 81 000 Mitarbeitern in fünf Familienstiftungen ein, übergab damit das Firmenvermögen an die Stiftungen und behielt nur die operative Führung inne.

„Die Enkel können das Firmengeld nicht für Ferraris verjubeln“

Ebenso verfuhren die Aldi-Brüder: Wer bei dem Discounter kauft, füttert letztlich die Erträge der Siepmann-Stiftung von Aldi-Süd und der Markus-, der Jakobus- und der Lukas-Stiftung vom Aldi Nord, die die beiden Gründer, Karl und Theo Albrecht, bereits 1973 geschaffen hatten. Die Stiftungen halten nicht nur die Markenrechte am Namen Aldi, ihnen gehören auch die Aldi-Immobilien sowie alle in- und ausländischen Unternehmen des Handelskonzerns.

Allen Familienstiftungen gemein ist der Wunsch ihrer Gründer oder Nachfahren, das Unternehmen auch in Zukunft durch Erbstreitereien, desinteressierte Erben oder Aufteilungen nicht zu zerschlagen, sondern eine Einheit zu bewahren– und gleichzeitig die direkten Erben aus den Erträgen der Stiftung zu versorgen. „Die Enkel können das Firmengeld dann nicht für Ferraris verjubeln“, formulierte es Reinhold Würth einmal. Der Preis dafür ist die Aufgabe des Besitzes an einem Unternehmen, das vielfach, jedoch nicht immer, ausschließlich der Stiftung gehört. Im Falle von Fielmann etwa, die an der Börse notiert sind, besitzt die Stiftung nur 51 Prozent, kontrolliert damit das Geschehen, obwohl der Rest der Anteile Anlegern gehört. Eine Familienstiftung selbst wiederum gehört nur sich selbst, sie hat, anders als eine GmbH oder eine AG, keine Anteilseigner oder Gesellschafter. Nicht verwechselt werden dürfen die gut 1300 Familienstiftungen in Deutschland übrigens mit der großen Mehrheit der Stiftungen, die gemeinnützig arbeiten und daher steuerliche Vorteile haben. Familienstiftungen verfolgen wirtschaftliche Zwecke und dienen dem Wohl der Familie.
Über Generationen hinweg. Allen Familienstiftungen gemein ist der Wunsch ihrer Gründer, mögliche Streitereien um die Nachfolge zu vermeiden und die Nachfahren auch in Zukunft finanziell zu versorgen.
Über Generationen hinweg. Allen Familienstiftungen gemein ist der Wunsch ihrer Gründer, mögliche Streitereien um die Nachfolge zu vermeiden und die Nachfahren auch in Zukunft finanziell zu versorgen.
Für die Gründung sprächen eine ganze Palette von Gründen, sagt Rainer Kirchdörfer, Vorstand der Stiftung Familienunternehmen und Politik. Wer sich dafür entscheide, habe „vor allem den Wunsch, seinen Willen in der Satzung auf Dauer zu verankern, denn eine Stiftung hat Ewigkeitscharakter“. Dies könnten die Nachfahren dann im Prinzip nicht mehr verändern, denn die staatliche Stiftungsaufsicht muss jede Änderung der Satzung genehmigen. Auch der Stifter selbst kann dies nicht mehr rückgängig machen.

Zweitwichtigstes Argument für eine Familienstiftung sei es, so Kirchdörfer, im Erbfall eine Zersplitterung des Unternehmens zu verhindern und die womöglich verschiedenen Interessen der nächsten Generation auf das Ziel und den Wunsch des Stifters zu verpflichten. Die normale Erbregelung führe gelegentlich dazu, dass „die größten Anteile dann nicht von den aus Unternehmenssicht besten Gesellschaftern gehalten werden.“ Wenn beispielsweise ein Unternehmen zu gleichen Teilen an drei Kinder vermacht werde, diese dann jedoch fünf, gar keine und ein Kind haben, halte das eine Kind in der dritten Generation einen vergleichsweise viel höheren Anteil als jedes der fünf Kinder aus dem anderen Familienzweig – auch wenn es sich womöglich nicht für eine entscheidende Funktion eignet. In einer Familienstiftung hingegen entscheide der Stifter auch über seinen Tod hinaus darüber, wie und von wem das Unternehmen geführt werden, welche Strategie es fahren soll und wie die Stiftungserträge auf welche Nachkommen zu verteilen sind.

Nach der Bundestagswahl könnte auf Familienstiftungen Gegenwind zukommen

Da die Destinatäre, wie die Begünstigten genannt werden, keine Eigner sind, sondern nur Ausschüttungen erhalten, zahlen sie darauf nicht Einkommens- , sondern Abgeltungssteuer in Höhe von 25 Prozent plus gegebenenfalls Soli und Kirchensteuer. Auch der Übertrag des Unternehmensbesitzes auf die Stiftung ist steuerpflichtig. Die Höhe der Steuer, die die begünstigte Stiftung zu zahlen hat, richtet sich nach dem Verwandtschaftsverhältnis zwischen dem Stifter und dem am weitesten entfernten Begünstigten. Meist handelt es sich dabei um Verwandte ersten Grades, also Ehepartner, Kinder und Enkelkinder, so dass eine günstige Steuerklasse greift. Auf laufende Erträge zahlen Familienstiftungen Körperschaftssteuer und, so sie ein Gewerbe betreiben, auch Gewerbesteuer. Kirchdörfer: „Familienstiftungen sind kein Steuersparmodell. Sie zahlen die gleichen Steuern auf Erträge der Stiftung wie andere Kapitalgesellschaften auch.“
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Zwar gibt die Familie das Eigentum an ihrem Unternehmen auf. Entmündigt wird sie durch den Übertrag auf eine Stiftung dennoch nicht. Je nach Satzung kann sie weiter über das Firmengeschehen mitbestimmen und das Unternehmen sogar allein lenken. Der heute 86-jährige Reinhold Würth etwa hatte sich bereits 1987 in der Satzung das letzte Entscheidungsrecht gesichert. Mit Enkelin Maria Würth sitzt im Vorstand nun ein weiteres Familienmitglied. Und den Beirat der Würth-Gruppe, der das operative Geschäft „begleitet und überwacht“, führt mit Bettina Würth die Tochter des Stiftungsgründers.
Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm. Sein Biosaft-Unternehmen führt Stefan Voelkel (rechts) gemeinsam mit seinen Söhnen David, Boris, Jurek und Jacob (v.l.n.r.).
Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm. Sein Biosaft-Unternehmen führt Stefan Voelkel (rechts) gemeinsam mit seinen Söhnen David, Boris, Jurek und Jacob (v.l.n.r.).
Gerade auf Familienstiftungen könnte nach der Bundestagswahl deutlicher Gegenwind zukommen. So will die SPD laut Ausweis ihres Parteiprogramms „für vermögenshaltende Familienstiftungen eine Mindestbesteuerung einführen.“ Zudem soll die Abgeltungssteuer auf Gewinne und finanzielle Ausschüttungen, also auch jene an die Destinatäre, abgeschafft werden, es soll dann der persönliche Steuersatz gelten, den die SPD gleichzeitig für höhere Einkommen anheben will. Drittens wollen SPD, Grüne und die Linke auch die Erbschaftssteuer verändern und zielen dabei vor allem auf vermögende Unternehmenserben.

Familienstiftungen zahlen allerdings bereits jetzt eine künstliche „Ersatzerbschaftssteuer“, selbst wenn es gar keinen Erbfall gibt und das Unternehmen per Schenkung in die Stiftung eingebracht wurde. Der Fiskus simuliert dabei einen Todesfall alle 30 Jahre, bei dem die Stiftung zwar auf ihre Vermögenssubstanz Erbschaftssteuer zahlen muss, allerdings auch die insgesamt üblichen, im Erbschaftssteuergesetz verankerten Verschonungsregeln bei der Weitergabe von Betriebsvermögen, dazu einen Freibetrag von 800 000 Euro (also den doppelten Freibetrag eines Kindes in jedem Erbfall) geltend machen kann. Je nach Familien-Konstellation und Firmenzahlen zum Erb-Stichtag könne es in manchen Fällen auch zu einer Steuerreduzierung von 85, in einigen Spezialfällen sogar von 100 Prozent kommen, sagt Michael Demuth, Fachanwalt für Gesellschaftsrecht in Hamburg.

Insgesamt gelte, fasst Kirchdörfer zusammen: Eine Familienstiftung habe viele positive Elemente, doch sei sie nur für einen kleinen Teil der Familienunternehmen geeignet. „In der großen Mehrheit der Fälle benötigt man sie nicht, vor allem, weil es einen passenden Nachfolger gibt“.
Fotos: Getty Images, Promo
Erschienen im Tagesspiegel am 13.09.2021