Die Welt der neuartigen Lebensmitteln bietet einige Überraschungen. Hersteller von „Novel Food" buhlen um einen Milliardenmarkt
Von Sinan Reber
Was haben Noni-Früchte, gelbe Mehlwürmer und Mikroalgen gemeinsam? Sie alle gehören laut europäischer Verordnung zum „Novel Food", also zu den sogenannten neuartigen Lebensmitteln - und haben einen festen Platz in den Online-Shops und Supermarkt-Regalen erkämpft. Mit der „Novel-Food-Verordnung" machte die Europäische Union als weltweit größter gemeinsamer Wirtschaftsraum den Weg frei für Insekten als Salat-Topping oder Chia-Samen im Bananen-Smoothie. Insgesamt gibt es zehn Kategorien. Auch Nahrungsmittel, die aus Pilzen oder Algen bestehen beziehungsweise daraus isoliert oder erzeugt wurden, fallen unter den Begriff Novel Food. Dazu gehören etwa Kapseln mit 0l aus Mikroalgen, häufig genutzt als Nahrungsergänzungsmittel.
Hersteller und Verkäufer von neuartigen Lebensmitteln buhlen möglicherweise um einen wachsenden Milliardenmarkt. Einen Hinweis darauf liefert der Aufstieg der Chiasamen als Novel Food in Joghurts und Puddings: Bis 2025 könnte allein das weltweite Geschäft mit den Früchten der Chiapflanze ein Marktvolumen von vier Milliarden Euro erreichen, wie Daten des US-amerikanischen Marktforschungsunternehmens „Grand View Research" zeigen. Auch für essbare Fliegenlarven, Grillen und Co. sind die Aussichten gut: Hier beziffern die in Irland sitzenden Analysten von „Research and Markets" das Marktvolumen bis 2027 auf 3,9 Milliarden Euro.
Wie Insekten in Zukunft auf unseren Tellern landen könnten, erforscht der Lebensmitteltechnologe Oliver Schlüter am Leibniz-Institut für Agrartechnik und Bioökonomie (ATB) in Potsdam. „Sie haben ein beachtenswertes Potenzial als Nahrungsquelle, sind reich an Proteinen, mehrfach ungesättigten Fettsäuren und Vitaminen", erklärt Schlüter. Für Europa und westliche Länder seien Insekten als Nahrungsquelle zwar eine Neuheit. Doch sie würden längst anderswo verzehrt. Ein Novel Food muss keine Weltneuheit sein, sondern kann nach der EU-Definition auch einfach neu für die westliche Küche sein. Laut der europäischen Verordnung sind es also Lebensmittel, die kaum ein Europäer vor 1997 verzehrt hat.
Hersteller und Verkäufer von neuartigen Lebensmitteln buhlen möglicherweise um einen wachsenden Milliardenmarkt. Einen Hinweis darauf liefert der Aufstieg der Chiasamen als Novel Food in Joghurts und Puddings: Bis 2025 könnte allein das weltweite Geschäft mit den Früchten der Chiapflanze ein Marktvolumen von vier Milliarden Euro erreichen, wie Daten des US-amerikanischen Marktforschungsunternehmens „Grand View Research" zeigen. Auch für essbare Fliegenlarven, Grillen und Co. sind die Aussichten gut: Hier beziffern die in Irland sitzenden Analysten von „Research and Markets" das Marktvolumen bis 2027 auf 3,9 Milliarden Euro.
Wie Insekten in Zukunft auf unseren Tellern landen könnten, erforscht der Lebensmitteltechnologe Oliver Schlüter am Leibniz-Institut für Agrartechnik und Bioökonomie (ATB) in Potsdam. „Sie haben ein beachtenswertes Potenzial als Nahrungsquelle, sind reich an Proteinen, mehrfach ungesättigten Fettsäuren und Vitaminen", erklärt Schlüter. Für Europa und westliche Länder seien Insekten als Nahrungsquelle zwar eine Neuheit. Doch sie würden längst anderswo verzehrt. Ein Novel Food muss keine Weltneuheit sein, sondern kann nach der EU-Definition auch einfach neu für die westliche Küche sein. Laut der europäischen Verordnung sind es also Lebensmittel, die kaum ein Europäer vor 1997 verzehrt hat.
Dass zwischen Essgewohnheiten Welten liegen können, zeigt zum Beispiel der „Fleischatlas", herausgegeben von der Heinrich-Böll-Stiftung: In thailändischen Bars gibt es zu Bier und Cocktails getrocknete Wanzen statt Erdnüsse, während in Südafrika ein Topping aus gerösteten Heuschrecken den Maismehlbrei abrundet. „Die Insekten-Produktpalette ist extrem vielfältig: Das geht von Snacks und Dips über Bolognese und Burger-Pattys aus Insekten bis zu Proteinriegeln und Lollies", sagt Schlüter. Zwar sei der in Europa zugelassene Gelbe Mehlwurm als Novel Food noch ein Nischenprodukt. Doch der Wissenschaftler ist überzeugt, dass diese Art neben vielen anderen Insektenspezies bald fester Bestandteil des Speiseplans werden könnte. „Ich vergleiche Insekten gerne mit Sushi. Vor ein paar Jahrzehnten war das Gericht auch eher mit Skepsis betrachtet worden. Jetzt ist Sushi immer verfügbar - es kommt zwar nicht täglich auf den Teller, aber es hat den Speiseplan und das Angebot an Lebensmitteln bereichert." Eine ähnliche Entwicklung könnten laut Schlüter auch Insekten als neuartiges Lebensmittel auf dem Einkaufszettel durchlaufen.
Doch der Lebensmitteltechnologe schätzt die kleinen Tierchen nicht nur für ihre wertvollen Inhaltsstoffe als Nahrungsmittel. „Wenn Menschen in Zukunft mehr Insekten statt Fleisch essen, kann die Umwelt davon profitieren. Rinder für die Fleischproduktion zu mästen, verbraucht sehr viel mehr Landfläche als Grillen in Behältern zu züchten." Bisherige Daten aus Studien deuteten zudem darauf hin, dass die Insektenproduktion klimafreundlicher ist als die Haltung von Nutztieren wie Kühe und Schweine. Bis mehr Insektenarten auf Speisekarten in Deutschland und Europa stehen, braucht es allerdings Zulassungen von der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA). Die entscheidet nämlich maßgeblich, welche Lebensmittel im Einklang mit der Novel-Food-Verordnung auch zum Verzehr freigegeben werden. Voraussetzung für eine solche Freigabe: Der Verzehr des Lebensmittels muss ungefährlich sein.
Doch wie sicher ist er zum Beispiel bei den als Novel Food gehandelten Insekten? Experte Oliver Schlüter stellt klar: „Wenn Insekten wie Grillen oder die Schwarze Soldatenfliege unter kontrollierten Bedingungen produziert werden, kann man sie in zubereiteter Form unbedenklich essen." Wichtig sei, dass die ausgewählte Insektenart keine Gifte produziere und sich in der Zucht möglichst nicht mit gesundheitsgefährdenden Bakterien oder Viren infiziere.
Die schöne neue Novel-Food-Welt hält so einige Überraschungen bereit. Auf einer Webseite der EU-Kommission lässt sich bestaunen, welche Lebensmittel zur Zulassung als Novel Food beantragt wurden. Darunter finden sich nicht nur Grillen, Heuschrecken und Honigbienenlarven, sondern auch Mungbohnenproteine und hitzetote Mykobakterien. Na dann: Guten Appetit!
Doch wie sicher ist er zum Beispiel bei den als Novel Food gehandelten Insekten? Experte Oliver Schlüter stellt klar: „Wenn Insekten wie Grillen oder die Schwarze Soldatenfliege unter kontrollierten Bedingungen produziert werden, kann man sie in zubereiteter Form unbedenklich essen." Wichtig sei, dass die ausgewählte Insektenart keine Gifte produziere und sich in der Zucht möglichst nicht mit gesundheitsgefährdenden Bakterien oder Viren infiziere.
Die schöne neue Novel-Food-Welt hält so einige Überraschungen bereit. Auf einer Webseite der EU-Kommission lässt sich bestaunen, welche Lebensmittel zur Zulassung als Novel Food beantragt wurden. Darunter finden sich nicht nur Grillen, Heuschrecken und Honigbienenlarven, sondern auch Mungbohnenproteine und hitzetote Mykobakterien. Na dann: Guten Appetit!
Fotos: Pikist, imago images/ Nature Picture Library
Erschienen im Tagesspiegel am 23.06.2021
Erschienen im Tagesspiegel am 23.06.2021