Vererben & Stiften 2020

„Ich will etwas bewirken in meinen Leben“

Auf dem Rasen verteidigt der Fußballspieler Neven Subotic die Bälle seiner Gegner. Mit seiner Stiftung ist er in der Offensive – und hilft in Äthiopien

Von Hella Kaiser

Profi-Fußballer fahren gern in PS-starken Edelboliden vor. Neven Subotic kommt zu Fuß zum Interview in Köpenick. Der Serbe besitzt nicht mal einen Kleinwagen. Während etliche seiner Kollegen Luxus zelebrieren, bleibt er bodenständig. Was ihn umtreibt? „Ich will etwas bewirken in meinem Leben“, sagt er. Ende 2012 hat er seine Stiftung gegründet, die Wasser- und Brunnenprojekte in Äthiopien fördert. Damals war er 23 Jahre alt und stand bei Borussia Dortmund unter Vertrag.

Zuvor hatte er sich „hier und da engagiert“, mal in der Nachbarschaft, mal in einem Krankenhaus oder in irgendeinem Projekt. Wenn eine Anfrage kam, hat er zugesagt. Aber das, erkannte er, war nur so eine Art Gießkannenprinzip. Er suchte nach etwas anderem, nach langfristigem Engagement.

Wie wichtig Zuwendung war, hatte er als Kind erlebt. Seine Eltern waren 1990 mit dem Zweijährigen und seiner Schwester vor dem Bürgerkrieg im ehemaligen Jugoslawien geflüchtet. In einem Schwarzwalddorf kamen sie unter. „Wir hatten Glück, weil es immer Menschen gab, die uns unterstützt haben“, erzählt Neven Subotic. „Da war zum Beispiel Familie Egle, die hat uns regelmäßig zu sich nach Hause zu Kaffee und Kuchen eingeladen.“ Er empfand das nicht nur als nette Geste, sondern spürte echtes Interesse. „Die wollten uns nicht erklären, wie die Welt funktioniert, das war ein Austausch auf Augenhöhe“, sagt er.
Geschafft. Sprudelndes Nass macht nicht nur Kinder glücklich.
Geschafft. Sprudelndes Nass macht nicht nur Kinder glücklich.
Er habe auch erlebt, wie sich seine Eltern für andere eingesetzt haben. „Das war für mich normal.“ Auch ein Grund, warum ihm „ein bisschen Hilfe“ bald nicht mehr genügte. Unterstützung in der Nachbarschaft in einem reichen Land wie Deutschland war eine Sache, aber irgendwann wollte er die Dinge aus „globaler Perspektive“ betrachten. Ein Freund der Familie brachte die Idee von einer Stiftung ein. „Ein komischer Begriff“ fand er und hat das erstmal vom Tisch gewischt. Und sich dann weiter mit dem Vorschlag beschäftigt. „Ich hinterfrage die Dinge“, sagt er.

Warum sich in A und nicht in B engagieren? Warum nicht umgekehrt? Wo konnte Hilfe wirklich etwas bewirken? Man ahnt, dass es ein langwieriger Prozess war. Äthiopien rückte aus verschiedenen Gründen in den Fokus. Rund 110 Millionen Menschen leben in dem ostafrikanischen Land. 27 Prozent von ihnen haben nicht mehr als 1,90 Dollar pro Tag zur Verfügung, 85 Prozent müssen mit 5,50 Dollar auskommen. Das große Dilemma: Nur jeder dritte Bewohner hat Zugang zu sauberem Trinkwasser. Diese Situation zu verbessern schien ein guter Weg. Zudem war die Lage in der Region stabil, der Gesundheitssektor war vergleichsweise gut aufgestellt. Eine Basis, auf der man aufbauen konnte, fand Subotic.

In den vergangenen acht Jahren hat seine Stiftung einiges geschafft. 133 Brunnen in Gemeinden konnten gebaut werden sowie 79 Brunnen und Sanitäranlagen in Schulen. 151 Projekte befinden sich derzeit in Bearbeitung. Ein Ende ist nicht abzusehen. „Es gibt immer noch Bezirke, in denen weniger als fünf Prozent der Schulen Wasser haben“, sagt Subotic. Nur wenn Schulen entsprechend ausgestattet seien, könne Bildung funktionieren und die Chance auf ein selbstbestimmtes Leben bieten.

Nun ist Corona als Bedrohung hinzugekommen. „Doch Corona ist nur eins von vielen Problemen“, sagt Subotic. Zwei Ernten in Folge sind von Heuschrecken aufgefressen worden, die komplette Lebensgrundlage wurde zerstört. Jetzt, durch Corona, erlebten die Menschen auch in Europa, wie das ist, mit etwas konfrontiert zu sein, das man selbst nicht verschuldet hat.

„Ich kaufe keine Fußbälle, solange die Menschen nicht mal sauberes Wasser haben“

In Äthiopien arbeitet die Stiftung mit einer lokalen Organisation zusammen, die besonders bedürftige Gemeinden aussucht und auch prüft, ob die einmal gebauten Brunnen noch funktionieren. „Es geht um ein langfristiges Engagement“, betont Subotic. Dass ein paar Deutsche irgendwo hingingen, etwas machten und dann wieder abrückten, wäre keine Option. „Und am Ende geben sie den Einheimischen noch die Schuld, wenn etwas nicht klappt“, sagt er. Diese Art von Entwicklungshilfe komme leider immer noch vor.

Er geht die Dinge anders an. Zweimal im Jahr fährt der Fußballer in das ostafrikanische Land. Und dann wird er eingeladen in den Präsidentenpalast? Er schüttelt den Kopf, so, als sei schon die Frage unangebracht. Er bliebe nicht in der Hauptstadt Addis Abeba. Zunächst ginge es weiter mit dem Flugzeug, dann mit dem Truck, dann Stunden weiter abseits der Straße und erst dann erreichten sie „ihre“ Gemeinden.

Natürlich bohrt er nicht eigenhändig einen Brunnen. „Wir machen Qualitätskontrollen, sprechen mit den Menschen, mit den Mitarbeitern.“ Und für die Kinder bringt er Fußbälle mit? Wieder so eine Frage, die Neven Subotic seltsam finden mag. „Kinder sind immer kreativ, dazu brauchen sie keine Fußballplätze“, sagt er. Und außerdem sei zu hinterfragen, ob man eine europäische Sportart unbedingt exportieren müsse. „Wenn ich eine bestimmte Summe Geld habe, kaufe ich davon keine Fußbälle, solange die Leute nicht einmal sauberes Wasser haben.“

Neven Subotic ist ein eigenwilliger Mensch. Einer, der alles sorgsam abwägt und den Dingen auf den Grund geht. Dass manche Kollegen ihn wegen seiner Ernsthaftigkeit womöglich belächeln, sei ihm egal, sagt er. „Manche denken, okay, der ist krass. Einige wollen dann auch so etwas tun und tun es dann nicht. Und einige tun es dann doch.“ Er geht einfach seinen Weg, missionieren will er nicht.
Mühsal. Wasser muss oft von weither geholt werden. Selten ist es sauber.
Mühsal. Wasser muss oft von weither geholt werden. Selten ist es sauber.
Wenn Prominente eine Stiftung gründen, unterstellt man ihnen auch Imagegründe. „Ich kann diese Kritik nachvollziehen“, sagt Subotic. „Es gibt Stiftungen, wo der Gründer einmal im Jahr zur Vorstandssitzung kommt, die trinken dann Kaffee und damit hat sich’s erledigt“, hat er erfahren. Für ihn, so scheint’s, ist die Stiftung eine Herzensangelegenheit, in die er sich voll und ganz einbringen will.

Sämtliches Stiftungsgeld fließt in die Projekte. „100 Prozent Zukunft spenden“ ist das Motto. Im Stiftungsbericht ist alles transparent aufgeschlüsselt. 2018 betrug das Spendenaufkommen 2.344,873,94 Millionen Euro. Die Verwaltungskosten beliefen sich auf 395 794,57 Euro. Die bezahlt Subotic von seinem eigenen Geld.

Im Sommer 2019 war der Fußballer zu „Union Berlin“ gekommen. Sein Vertrag wurde vom Verein nicht verlängert, nun sucht er einen neuen Verein. Subotic ist 31, er könnte mit dem Sport aufhören. Die Ex-Weltmeister André Schürrle (29) und Benedikt Höwedes (32) haben es gerade vorgemacht, auch Hertha-Keeper Thomas Kraft (31) macht Schluss. Wegen gesundheitlicher Probleme. Auch bei Neven Subotic zwickt der Rücken ab und zu. In den letzten Jahren nutzt der 1,93 Meter große Sportler deshalb die Businessclass, wenn er seine Eltern in den USA besucht. Es geht ihm nicht darum, es sich leisten zu können. Er denkt dabei an seinen Körper.

Der Serbe will noch einige Jahre im Profifußball bleiben. Sein aktueller Marktwert liegt bei zwei Millionen Euro. Was treibt ihn an? Einer, dem Luxus nichts bedeutet, kommt doch auch ohne den Lohn eines namhaften Clubs über die Runden. Subotic lächelt. Das Geld, so sagt er, könne er gut für die Stiftung verwenden.

Einem anderen würde man diese Antwort kaum abnehmen. Zu aufgesetzt. Bei Neven Subotic klingt sie wahrhaftig.

nevensuboticstiftung.de
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Björn Schulz Stiftung

Das Beste ihrer Möglichkeiten

Berühmte Leute stiften gern. Noch zu oft hapert es aber an der Transparenz

Dirk Nowitzki, der bescheiden und natürlich wirkende Multimillionär und ehemalige Superstar der US-amerikanischen Basketball-Profiliga, unterhält seit 2005 seine Stiftung, das Ziel: Kinder aus benachteiligten Familien zu fördern und für Spiel und Sport zu begeistern. „Start frei für Kinder“, lautet das Motto.

Angesiedelt in Würzburg, seiner Heimatstadt, soll „TeamKultur“ gefördert, Sinn und Empathie für die Gemeinschaft entwickelt und ermutigt werden. „Meine Stiftung soll dazu beitragen“, sagt Nowitzki, „dass Kinder und Jugendliche entdecken, was in ihnen steckt, und lernen, das Beste aus ihren Möglichkeiten zu machen. Im Sport und im Leben.“

Auffällig ist, wie häufig Kinder ins Blickfeld von Vermögenden geraten. Franziska van Almsick, die ehemalige Weltklasseschwimmerin, sagt, dass es für sie eine „Herzensangelegenheit“ sei, Kindern das Schwimmen beizubringen. Noch immer würden zu viele Kinder ertrinken, weil sie nicht oder schlecht schwimmen könnten. Deshalb setze sie sich mit ihrer Stiftung dafür ein, dass Grundschüler qualifizierten Schwimmunterricht erhalten. Obwohl Schwimmunterricht im Lehrplan vorgesehen sei, wäre dieser aus unterschiedlichen Gründen längst nicht mehr selbstverständlich. Fast die Hälfte der Drittklässler könne nicht oder nur unzureichend schwimmen, heißt es auf der Website der Stiftung. Deshalb wolle sie kindergerechten Schwimmunterricht fördern, spielerisch und lustvoll das Schwimmen beibringen lassen. Eintrittspreise für Schwimmbäder würden übernommen, für die Ausrüstung der Kinder gesorgt, der Transfer von der Schule zum Schwimmbad und zurück organisiert.
F. van Almsick
F. van Almsick
Peter Maffay verschafft mit seinen „Tabalugahäusern“ seit dem Jahr 2000 Freiräume für traumatisierte, benachteiligte oder kranke Kinder und Jugendliche. In Rumänien, in Bayern, auf Mallorca oder in Duderstadt im Harz sind Kinderferienhäuser entstanden. „Wir helfen Kindern, die in Not geraten sind“, verspricht Maffay auf der Homepage seiner Stiftung, zwischen fünf und vierzehn Tagen werden Ferienaufenthalte ermöglicht. „Tabaluga ist Musik, ganz klar“, sagt Maffay. Tabaluga sei aber auch ein Symbol für Werte, die der Stiftung wichtig seien: „Freundschaft, Toleranz, Gewissenhaftigkeit, Achtsamkeit und Verantwortung für unsere Umwelt und unsere Mitmenschen.“

Der Ex-Fußballnationalspieler Philipp Lahm unterhält seit 2007 eine Stiftung, die Kinder und Jugendliche „aus unterprivilegierten Familien und Verhältnissen“ unterstützt. In Deutschland sollen Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund durch Sportangebote gefördert werden; in Afrika Trainingsmöglichkeiten geschaffen, Bildung und Ausbildung unterstützt, soziale Strukturen durch sportliche Angebote aufgebaut werden.

Auch der ehemalige Fußballnationalspieler Per Mertesacker setzt sich seit 2006 mit seiner Stiftung für die Förderung sozial benachteiligter Kinder ein.

Deutschrocker Udo Lindenberg hingegen hat 2006 eine kulturpolitische Stiftung ins Leben gerufen. Zum einen werden junge Texter und Musikerinnen durch Wettbewerbe gefördert, zum anderen stehen nachhaltige Projekte in Afrika auf dem Programm: autarke Wasserversorgung in Kenia beispielsweise wurde auf den Weg gebracht, ein Schul- und Ausbildungszentrum in Tansania aufgebaut, ein Aidsprojekt in Südafrika unterstützt. „Für mich ist schon als Kind klar, dass etwas schief läuft auf unserem Planeten“, sagt Lindenberg im Trailer. „Warum müssen Kinder verhungern? Ich wollte was verändern. Mit unserer Stiftung können wir ’ne ganze Menge machen.“

Der kürzlich verstorbene Cartoonist Uli Stein gründete vor zwei Jahren seine „Stiftung für Tiere in Not“. Als Stein für seinen Bildband „Hunde“ recherchierte und mit den Besitzern sprach, erfuhr er, wie viele ehemalige Straßenhunde aus elenden Verhältnissen geholt worden waren. Die Erzählungen rührten ihn, so entstand die Idee für seine Stiftung. Seit zwei Jahren werden kleinere Tierschutzvereine im In- und Ausland unterstützt.
U. Lindenberg
U. Lindenberg
Als die Stiftung Warentest vor fünf Jahren die Stiftungen von Prominenten unter die Lupe nahm, war das Ergebnis durchwachsen. Von 28 angefragten Stiftungen lehnten 18 eine Teilnahme ab, darunter die Daniel Barenboim Stiftung, die Manuel Neuer Kids Foundation, die Robert Enke- oder die Uwe Seeler-Stiftung. Wer Genaueres wissen möchte, zum Beispiel Angaben zum Grundkapital und dem Stiftungsgeld, macht sich rasch unbeliebt. Es gibt für Stiftungen im Übrigen, obwohl steuerlich subventioniert, auch keine Pflicht, ihre Finanzen offenzulegen.

Die verbliebenen zehn Stiftungen in der Prüfung der Stiftung Warentest antworteten nicht immer so transparent wie gewünscht, viele arbeiteten nicht so professionell wie erhofft, Jahresberichte blieben unterbeleuchtet. Bei den Ausgaben für Werbung und Verwaltung aber konnte die Stiftung Warentest damals immerhin ein gutes Urteil abgeben.

Dass auch Eitelkeit, die Imagepflege als Wohltäterin und Wohltäter, und Steuersparmodelle eine Rolle spielen, ist kein Geheimnis. Wer spenden möchte, sollte sich also gut informieren, welcher Stiftung ein Geldbetrag zukommen soll.

Ein Tipp: Das „Deutsche Zentralinstitut für soziale Fragen“ (DZI) vergibt nicht nur Gütesiegel für seriöse Spendenorganisationen, das Institut veröffentlicht auch eine Liste mit Namen, von denen es abrät. ist schon als Kind klar, dass etwas schief läuft Hier taucht zum Beispiel die Katarina Witt-Stiftung in einer Liste auf, in der auf unserem Planeten“, sagt Lindenberg im Trailer. „Warum müssen Kinder verhungern? Ich wollte was verändern. Mit unserer Stiftung können wir ’ne ganze Menge machen.“ Der kürzlich verstorbene Cartoonist Uli Stein gründete vor zwei Jahren seine „Stiftung für Tiere in Not“. Als Stein für nicht einzuschätzende Organisationen benannt werden, weil sie zu intransparent wirken und auch nicht an mehr Aufklärung interessiert sind. Der Bundesverband deutscher Stiftungen (BDS) etwa hat verlauten lassen, dass ein glaubhaftes öffentliches Stiftungsregister vieles einfacher machen würde. Stefan Berkholz
Fotos: Sven Darmer; promo; Ralf Hirschberger/dpa; Jan Woitas/zb/dpa
Erschienen im Tagesspiegel am 13.09.2020