Gesundheitswirtschaft

Gut gebrüllt

Auch in Berlin hat die Krise Innovationen angestachelt: Der Bärcode wurde entwickelt, Charité und Vivantes kooperieren stärker

Von Beatrice Hamberger

Berlin ist auf dem Weg zurück in die Normalität. Außengastronomie ist geöffnet, Kulturbetriebe können hoffen. In der Hauptstadt werden die vorsichtigen, schrittweisen Lockerungen neuerdings digital begleitet, und zwar vom Bärcode. Dieses fälschungssichere Zertifikat haben Wissenschaftler des Berlin Institute of Health (BIH) in der Charité entwickelt, der Senat finanziert das Projekt. „Der Bärcode ist eine digitale Version von ,Siegel und Unterschrift’, der für den negativen Corona-Test und die vollständige Impfung genauso erstellt werden kann wie für das Attest einer zurückliegenden Covid-19-Erkrankung“, erklärt Roland Eils, Leiter des Zentrums Digitale Gesundheit am BIH. Jeder Friseur und jeder Gastwirt könne den Barcode ganz einfach mit einem Smartphone überprüfen, dafür werde nicht einmal eine zusätzliche App benötigt.

Derzeit sind die Digital-Health-Experten dabei, Impfzentren und Teststellen mit den Tools zur Erzeugung der Codes auszurüsten sowie Wirtschaft und Kultureinrichtungen einzubinden, damit der digitale Türöffner bald flächendeckend von Getesteten, Geimpften und Genesenen genutzt werden kann. Wie und wo letztere an das Siegel kommen, ist noch nicht ganz klar, in der Diskussion sind unter anderem Apotheken. „Wichtig war uns, dass nicht jeder sein eigenes Süppchen kocht. Wir wollten eine einheitliche und sichere digitale Infrastruktur in Berlin schaffen“, so Eils. Um eine Insellösung zu vermeiden, haben die Entwickler sichergestellt, dass die Bärcodes kompatibel mit dem europäischen Impfpass sein werden. Bis das digitale Impfzertifikat im Sommer zum Bürger kommt, will Berlin bereits rund eine halbe Million Bärcodes ausgegeben haben.
Digitales Siegel. Roland Eils und sein Team haben am Berlin Institute of Health den Bärcode entwickelt.
Digitales Siegel. Roland Eils und sein Team haben am Berlin Institute of Health den Bärcode entwickelt.
Das Beispiel zeigt, wie sehr die Pandemie digitale Prozesse beschleunigt hat. So kam auch das Netzwerk Universitätsmedizin gegen Covid-19 zustande, das die Charité im März letzten Jahres initiiert hat und heute die gesamte deutsche Universitätsmedizin miteinander vernetzt. „Ohne Pandemie wäre es uns sicher nicht so rasch gelungen, alle Universitätskliniken von einer Zusammenarbeit zu überzeugen, aber hier war die Notwendigkeit klar gegeben“, betont Roland Eils, der am Aufbau der digitalen Plattform für das Netzwerk maßgeblich beteiligt ist. Das standortübergreifende Sammeln von Daten aus der Krankenversorgung und Forschung zu Covid soll indes nur der Anfang sein. Die geschaffen Strukturen sollen künftig auch für andere Krankheitsbilder genutzt werden. Und in einer nächsten Stufe sollen Patienten ihre Gesundheitsdaten digital in die Hand bekommen. GAIA-X heißt das visionäre Vorhaben. Die cloudbasierte Lösung für einen Gesundheitsdatenraum könnte aus Sicht von Roland Eils „eine Blaupause für Europa werden.“

Unterdessen schreitet der digitale Datenraum in Berlin weiter voran. Charité und Vivantes haben Anfang Mai die digitale Behandlungsakte für gemeinsame Patienten eingeführt. Röntgenbilder, Medikationspläne oder Laborwerte können damit von allen beteiligten Behandlungsteams eingesehen werden. Noch in diesem Jahr sollen weitere Berliner Kliniken mit ans Netz und persönliche Gesundheitsdaten aus Wearables und Smartphones in die Behandlungsakte übernommen werden, so die Patienten das wollen. Charité und Vivantes sehen in dem Pilotprojekt „insgesamt große Chancen, einen wesentlichen Beitrag zur Verbesserung der Versorgungsqualität zu leisten und Berlin als Gesundheitsstadt 2030 weiter zu entwickeln.“ Und wenn in zwei bis drei Jahren die ersten niedergelassenen Ärzte Teil der Modellregion werden, ist die lückenlose Versorgungskette in Berlin kein Fremdwort mehr, sondern ein Stück neue Normalität.
Fotos: Raja Sen/Unsplash, David Ausserhofer
Erschienen im Tagesspiegel am 26.05.2021