Ein Interview mit Berlins Caritas-Direktorin Ulrike Kostka
Von Alfons Frese
Frau Kostka, wie haben die knapp 9000 Berliner Beschäftigten der Caritas in der Gesundheitsversorgung die Pandemie überstanden?
Wir sind gut durchgekommen, aber es war auch eine harte Zeit. Wir mussten uns alle neu erfinden, um die Arbeit unter den besonderen Umständen im Krankenhaus und in der Pflege und in der sozialen Beratung zu organisieren. Alles in allem waren wir krisenfähig.
Und die Leute sind jetzt platt?
Ja, das ist deutlich zu merken. Die Anspannung lässt etwas nach und die Erschöpfung ist zu spüren. Gleichzeitig gibt es aber auch das befriedigende Gefühl, unheimlich viel gemeinsam geschafft zu haben. Jetzt, wo der Druck nachlässt, kommen aber auch manche Situationen wieder hoch. Etwa traumatische Erfahrungen mit Todesfällen.
Gab es viele Krankmeldungen?
Zwischenzeitlich gab es Krankheitsfälle, natürlich waren auch viele in Quarantäne. Mit dem Beginn der Impfungen hat sich das zunehmend entspannt.
Welche Chance liegt darin, dass die Bedeutung der Pflege in der Pandemie so deutlich geworden ist wie noch nie?
Die Wertschätzung für Ärzte, Pflegerinnen und überhaupt soziale Dienste ist zweifellos gestiegen. Diese Arbeit ist existenziell für die Gesellschaft, und wir als Anbieter dieser Leistungen sind bislang nicht immer bei den verantwortlichen Stellen in der Politik mit unseren Anliegen durchgedrungen. Das könnte jetzt anders werden. Aber es gibt auch Risiken.
Wir sind gut durchgekommen, aber es war auch eine harte Zeit. Wir mussten uns alle neu erfinden, um die Arbeit unter den besonderen Umständen im Krankenhaus und in der Pflege und in der sozialen Beratung zu organisieren. Alles in allem waren wir krisenfähig.
Und die Leute sind jetzt platt?
Ja, das ist deutlich zu merken. Die Anspannung lässt etwas nach und die Erschöpfung ist zu spüren. Gleichzeitig gibt es aber auch das befriedigende Gefühl, unheimlich viel gemeinsam geschafft zu haben. Jetzt, wo der Druck nachlässt, kommen aber auch manche Situationen wieder hoch. Etwa traumatische Erfahrungen mit Todesfällen.
Gab es viele Krankmeldungen?
Zwischenzeitlich gab es Krankheitsfälle, natürlich waren auch viele in Quarantäne. Mit dem Beginn der Impfungen hat sich das zunehmend entspannt.
Welche Chance liegt darin, dass die Bedeutung der Pflege in der Pandemie so deutlich geworden ist wie noch nie?
Die Wertschätzung für Ärzte, Pflegerinnen und überhaupt soziale Dienste ist zweifellos gestiegen. Diese Arbeit ist existenziell für die Gesellschaft, und wir als Anbieter dieser Leistungen sind bislang nicht immer bei den verantwortlichen Stellen in der Politik mit unseren Anliegen durchgedrungen. Das könnte jetzt anders werden. Aber es gibt auch Risiken.
Welche?
Wir wissen alle nicht, wie viele Pflegekräfte sich nach dieser extremen Belastung beruflich anders orientieren. Die Beschäftigten laufen unter Volllast, doch die Pflegereform kommt nicht voran. Und wir müssen aufpassen, dass die Pandemie nicht genutzt wird, um eine kalte Strukturbereinigung zu Lasten der Krankenhäuser vorzunehmen. Das Geld fehlt an allen Ecken und Enden.
Fehlen auch bei der Caritas vor allem Pflegekräfte?
Ja, Pflegekräfte sind heiß begehrt. Wir brauchen jetzt ein Signal nach vorn: Pflege ist nicht nur in der Krise wichtig, sondern wir brauchen dauerhaft gute Bedingungen für Pflegebedürftige und die Pfleger.
Ein solches Signal hätte die Allgemeinverbindlichkeit eines von Verdi abgeschlossenen Tarifvertrags sein können, doch die Arbeitgeberseite der Caritas war dagegen.
Ich habe bedauert, dass es im Vorfeld der Entscheidung zu wenig Kommunikation und Diskussion darüber gegeben hat, ob das wirklich der richtige Tarif ist. Der Tarif hat Vor- und Nachteile, deshalb hätte es tieferer und breiterer Diskussionen bedurft. So war die Entscheidung für viele nicht nachvollziehbar. Ich kann die Frustration verstehen. Gleichzeitig hätte der Tarif eben nur Mindestbedingungen festgeschrieben.
Gesundheits- und Arbeitsminister streiten gerade um die Frage, welche Art von Tarif als Orientierung gelten soll: ein ordentlicher Flächentarif oder womöglich dünne Haustarifverträge.
Es müssten Flächentarife sein mit einem attraktiven Niveau wie dem TVÖD. Eine „ortsübliche Vergütung“ bei fehlender Tarifbindung, wie Jens Spahn ursprünglich vorgeschlagen hat, geht gar nicht. Aber neben der Vergütung müssen wir auch die gesellschaftliche Stellung im Auge haben: Die Pflege als existenzieller Bereich der Daseinsvorsorge braucht schlicht mehr Wertschätzung und auch Selbstermächtigung und Einfluss, um auf Augenhöhe zu kommen mit den anderen Playern im Gesundheitswesen.
Wir wissen alle nicht, wie viele Pflegekräfte sich nach dieser extremen Belastung beruflich anders orientieren. Die Beschäftigten laufen unter Volllast, doch die Pflegereform kommt nicht voran. Und wir müssen aufpassen, dass die Pandemie nicht genutzt wird, um eine kalte Strukturbereinigung zu Lasten der Krankenhäuser vorzunehmen. Das Geld fehlt an allen Ecken und Enden.
Fehlen auch bei der Caritas vor allem Pflegekräfte?
Ja, Pflegekräfte sind heiß begehrt. Wir brauchen jetzt ein Signal nach vorn: Pflege ist nicht nur in der Krise wichtig, sondern wir brauchen dauerhaft gute Bedingungen für Pflegebedürftige und die Pfleger.
Ein solches Signal hätte die Allgemeinverbindlichkeit eines von Verdi abgeschlossenen Tarifvertrags sein können, doch die Arbeitgeberseite der Caritas war dagegen.
Ich habe bedauert, dass es im Vorfeld der Entscheidung zu wenig Kommunikation und Diskussion darüber gegeben hat, ob das wirklich der richtige Tarif ist. Der Tarif hat Vor- und Nachteile, deshalb hätte es tieferer und breiterer Diskussionen bedurft. So war die Entscheidung für viele nicht nachvollziehbar. Ich kann die Frustration verstehen. Gleichzeitig hätte der Tarif eben nur Mindestbedingungen festgeschrieben.
Gesundheits- und Arbeitsminister streiten gerade um die Frage, welche Art von Tarif als Orientierung gelten soll: ein ordentlicher Flächentarif oder womöglich dünne Haustarifverträge.
Es müssten Flächentarife sein mit einem attraktiven Niveau wie dem TVÖD. Eine „ortsübliche Vergütung“ bei fehlender Tarifbindung, wie Jens Spahn ursprünglich vorgeschlagen hat, geht gar nicht. Aber neben der Vergütung müssen wir auch die gesellschaftliche Stellung im Auge haben: Die Pflege als existenzieller Bereich der Daseinsvorsorge braucht schlicht mehr Wertschätzung und auch Selbstermächtigung und Einfluss, um auf Augenhöhe zu kommen mit den anderen Playern im Gesundheitswesen.
Fotos: National Cancer Institute/Unsplash, Maurice Weiss/Ostkreuz
Erschienen im Tagesspiegel am 26.05.2021
Erschienen im Tagesspiegel am 26.05.2021