Ähnliche Projekte wie das Berliner Bet- und Lehrhaus gibt es auch in anderen europäischen und deutschen Städten. Ein Blick nach Wien, Bern, München und Hannover, wo aus Neugier die Suche nach dem Gemeinsamen erwächst
Von Bernhard Schulz
In westlichen Gesellschaften galt über Jahrzehnte hinweg der Trend zur Säkularisierung, verstanden sowohl als Abnahme religiöser Bindungen des Einzelnen wie auch des Schwindens von Religionsgemeinschaften, als selbstverständlich. Eine alle Lebenssphären erfassende Modernisierung, im Sinne Max Webers verstanden als „Entzauberung der Welt“, schien immer weniger Platz zu lassen für Religion als eine je spezifische Art und Weise der Welterklärung.
Mittlerweile zeigt sich, dass dies eine auf die westliche Welt beschränkte Sichtweise ist. Der anhaltenden Säkularisierung steht je nach Weltgegend eine mehr oder minder machtvolle Zunahme von gelebter Religiosität entgegen. Im Zuge der weltweit immer weiter zunehmenden Mobilität, unter der die massenhafte Migrationsbewegungen nur einen, wenn auch den spannungsreichsten Teil ausmacht, kommen immer mehr Menschen unterschiedlicher Glaubenszugehörigkeit in Kontakt miteinander, ja zu dauerhaftem Zusammenleben. Fremdheit befördert zwar häufig Ablehnung, doch umgekehrt erzeugt eine bewusst wahrgenommene Andersartigkeit Neugier; und aus Neugier erwächst die Suche nach Gemeinsamkeiten und gemeinsamen Wurzeln.
Mittlerweile zeigt sich, dass dies eine auf die westliche Welt beschränkte Sichtweise ist. Der anhaltenden Säkularisierung steht je nach Weltgegend eine mehr oder minder machtvolle Zunahme von gelebter Religiosität entgegen. Im Zuge der weltweit immer weiter zunehmenden Mobilität, unter der die massenhafte Migrationsbewegungen nur einen, wenn auch den spannungsreichsten Teil ausmacht, kommen immer mehr Menschen unterschiedlicher Glaubenszugehörigkeit in Kontakt miteinander, ja zu dauerhaftem Zusammenleben. Fremdheit befördert zwar häufig Ablehnung, doch umgekehrt erzeugt eine bewusst wahrgenommene Andersartigkeit Neugier; und aus Neugier erwächst die Suche nach Gemeinsamkeiten und gemeinsamen Wurzeln.
Nur im Westen schwindet die Kraft der Religionen. Weltweit geht die Entwicklung in die andere Richtung
Wenn ihre Anzahl auch klein ist, entstehen doch an immer mehr Orten „Mehrreligionenhäuser“. Es gibt kein einheitliches Merkmal; es können Orte der Religionsausübung sein, des Dialogs, der Begegnung. Zumal die Amtskirchen, ihrer Natur nach auf Abgrenzung gerichtet, müssen sich erst noch einstellen auf Formen des Zusammenwirkens, die über das Maß immer schon geübter Festveranstaltungen hinausgehen. In der Ära der Vernetzung liegt es nahe, dass auch solche interreligiösen Einrichtungen und Projekte sich vernetzen; einen entsprechenden Anfang machte das House of One. Dessen Stiftungsrats-Vorsitzender Gregor Hohberg hob anlässlich einer ersten Konferenz hervor, solche Initiativen könnten „weltweit heilend wirken“, indem sie „ein respektvolles Gespräch zwischen den Religionen fördern“. Dazu gehöre die „Grundhaltung, die eigene Religion nicht für den Mittelpunkt der Welt zu halten“.
Inwieweit der letztzitierte Satz dem Ausschließlichkeitsanspruch zumindest der drei abrahamitischen Religionen widerspricht, mögen Theologen klären. Jedenfalls ist die Existenz des House of One und vergleichbarer Einrichtungen ein Indiz, dass ein Miteinander möglich ist. Bei weitem nicht überall sehen sich Projekte in Erwartung einer eigenen Baulichkeit, die dieses Miteinander sichtbar macht und befestigt.
Als umfangreichstes Vorhaben kann dasjenige gelten, das die Stadt Wien in ihrem Neubaugebiet „Seestadt Aspern“ realisiert. In diesem vollständig neu bebauten Areal wollte die Erzdiözese Wien eine Kirche errichten, wurde aber darüber belehrt, dass die Stadt einzelne Religionsgemeinschaften nicht länger bevorzugen will. So entstand der Gedanke, auf einem gemeinsamen Baufeld für mehrere Religionsgemeinschaften Kirchen und Bethäuser zu errichten, „um die Gleichrangigkeit der Religionsgemeinschaften zum Ausdruck zu bringen“, wie es in der Selbstbeschreibung des Projekts heißt. Ein Wettbewerb wurde ausgelobt, dessen Jury unter Vorsitz des renommierten Architekten Boris Podrecca den Entwurf des Wiener Büros Burtscher Durig zur Ausführung empfahl.
Inwieweit der letztzitierte Satz dem Ausschließlichkeitsanspruch zumindest der drei abrahamitischen Religionen widerspricht, mögen Theologen klären. Jedenfalls ist die Existenz des House of One und vergleichbarer Einrichtungen ein Indiz, dass ein Miteinander möglich ist. Bei weitem nicht überall sehen sich Projekte in Erwartung einer eigenen Baulichkeit, die dieses Miteinander sichtbar macht und befestigt.
Als umfangreichstes Vorhaben kann dasjenige gelten, das die Stadt Wien in ihrem Neubaugebiet „Seestadt Aspern“ realisiert. In diesem vollständig neu bebauten Areal wollte die Erzdiözese Wien eine Kirche errichten, wurde aber darüber belehrt, dass die Stadt einzelne Religionsgemeinschaften nicht länger bevorzugen will. So entstand der Gedanke, auf einem gemeinsamen Baufeld für mehrere Religionsgemeinschaften Kirchen und Bethäuser zu errichten, „um die Gleichrangigkeit der Religionsgemeinschaften zum Ausdruck zu bringen“, wie es in der Selbstbeschreibung des Projekts heißt. Ein Wettbewerb wurde ausgelobt, dessen Jury unter Vorsitz des renommierten Architekten Boris Podrecca den Entwurf des Wiener Büros Burtscher Durig zur Ausführung empfahl.
Auch die „Räume der Stille“ an vielen Flughäfen stehen allen Glaubensgemeinschaften offen
Die Preisträger sehen Baulichkeiten für nicht weniger als acht Religionsgemeinschaften vor, deren insgesamt fünf Gebäude unter einer transparenten Dachhaut gemeinsam mit vier Baukörpern der Kirchlich-Pädagogischen Hochschule Platz finden sollen. Die Gestaltung der einzelnen Baukörper ist derzeit noch offen, insbesondere, ob sie sich in traditionellen Formen als Haus der jeweiligen Religionsgemeinschaft zu erkennen geben werden. Neben den monotheistischen Religionen werden auch Sikhs und Buddhisten repräsentiert sein, die typologisch ganz andersartige Anlagen kennen. „Im Gegensatz zur benachbarten, sehr luzide gestalteten Hochschule sollen die Kapellen, Moscheen, Synagogen und Tempel bewusst andächtig und erdverbunden ausgeführt werden“, so die Architekten: „Am Ende möchten wir die Heterogenität der Religionen unter einem zarten, einigenden Schleier zusammenfassen.“
Dem additiven Ansatz von Wien steht das 2014 eröffnete „Haus der Religionen“ in der schweizerischen Bundeshauptstadt Bern gegenüber, das in einem einzelnen Gebäude Räume für fünf Religionsgemeinschaften bereithält, darunter für Hindus und für die islamische Richtung der Aleviten. Die Beteiligung religiöser Körperschaften und Vereine veränderte sich im Laufe der Zeit; ein Indiz für die grundsätzlichen Schwierigkeiten, denen sich interreligiöse Zentren dort gegenübersehen, wo es innerhalb einer Religion konkurrierende Gemeinschaften gibt.
Der christliche „Anteil“ am Berner Haus wird denn auch von einem überkonfessionellen Verein bestritten. In seiner baulichen Gestalt unterscheidet sich das Berner Haus, gelegen am Europaplatz, nicht von anderen Multifunktionsbauten; es umfasst denn auch Wohnungen sowie ein Restaurant, das nach eigener Aussage einen „ayurvedisch-koscheren Mittagstisch“ anbietet – interreligiös auch auf dem Speiseteller.
Dem additiven Ansatz von Wien steht das 2014 eröffnete „Haus der Religionen“ in der schweizerischen Bundeshauptstadt Bern gegenüber, das in einem einzelnen Gebäude Räume für fünf Religionsgemeinschaften bereithält, darunter für Hindus und für die islamische Richtung der Aleviten. Die Beteiligung religiöser Körperschaften und Vereine veränderte sich im Laufe der Zeit; ein Indiz für die grundsätzlichen Schwierigkeiten, denen sich interreligiöse Zentren dort gegenübersehen, wo es innerhalb einer Religion konkurrierende Gemeinschaften gibt.
Der christliche „Anteil“ am Berner Haus wird denn auch von einem überkonfessionellen Verein bestritten. In seiner baulichen Gestalt unterscheidet sich das Berner Haus, gelegen am Europaplatz, nicht von anderen Multifunktionsbauten; es umfasst denn auch Wohnungen sowie ein Restaurant, das nach eigener Aussage einen „ayurvedisch-koscheren Mittagstisch“ anbietet – interreligiös auch auf dem Speiseteller.
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Eine dritte Möglichkeit zeigt das Münchner „Haus der Kulturen und Religionen“ auf: Es ist „die Verbindung des College of Interreligious Studies mit einem Wohnheim und einem Lehrhaus bzw. mit Erwachsenenbildungsprojekten“. Hier steht also nicht die Religionsausübung im Vordergrund, sondern das Bildungsangebot. Interessant ist, dass als Baulichkeit eine evangelisch-lutherische Kirche einbezogen werden soll, die erst vor sechzig Jahre eingeweihte Nazarethkirche im östlichen Münchner Neubaugebiet der „Parkstadt Bogenhausen“. Der Umfang der Gemeinde hat sich vom Höchststand mit 5200 Mitgliedern auf derzeit etwa 1400 verringert; und wie oft bei Kirchen der Wiederaufbauzeit der fünfziger und sechziger Jahre stellt sich heute die Frage nach der adäquaten Nutzung. Erwogen wird, den Kirchenbau um ein Gebäude für die Lehranstalt des Colleges zu ergänzen.
Ähnlich ist das „Stuttgarter Lehrhaus“ der Stiftung für interreligiösen Dialog, jedoch ohne eigenes Gebäude. Die gemeinnützige Stiftung versteht sich als „Dach für die mit ihr verbundenen selbständigen Partnerorganisationen“ und greift für Veranstaltungen auf Räume der evangelischen Kirche in deren Paul-Gerhardt-Zentrum zurück. Auch das „Haus der Religionen“ in Hannover ist eine Veranstaltungseinrichtung, allerdings mit einer weiter gespannten Teilnahme von Religionen, deren neun an der Zahl. Ihren Ort hat die als Verein konstituierte Einrichtung in der ehemaligen, 1964 eingeweihten evangelischen Athanasius-Kirche in der Hannoveraner Südstadt. Sie versteht sich als „Veranstaltungsort für interreligiöse Begegnungen aller Art“ mit einem starken Fokus auf Schüler- und Jugendarbeit.
Ähnlich ist das „Stuttgarter Lehrhaus“ der Stiftung für interreligiösen Dialog, jedoch ohne eigenes Gebäude. Die gemeinnützige Stiftung versteht sich als „Dach für die mit ihr verbundenen selbständigen Partnerorganisationen“ und greift für Veranstaltungen auf Räume der evangelischen Kirche in deren Paul-Gerhardt-Zentrum zurück. Auch das „Haus der Religionen“ in Hannover ist eine Veranstaltungseinrichtung, allerdings mit einer weiter gespannten Teilnahme von Religionen, deren neun an der Zahl. Ihren Ort hat die als Verein konstituierte Einrichtung in der ehemaligen, 1964 eingeweihten evangelischen Athanasius-Kirche in der Hannoveraner Südstadt. Sie versteht sich als „Veranstaltungsort für interreligiöse Begegnungen aller Art“ mit einem starken Fokus auf Schüler- und Jugendarbeit.
Interessanterweise gibt es neben dezidierten Bauten für interreligiöses Miteinander auch Räumlichkeiten, die sich rein funktionalen Erwägungen verdanken: gemeint sind hier die „Räume der Stille“ auf Flughäfen, die meist, wenn auch nicht immer, Menschen aller Arten von religiöser Bindung offenstehen.
Und es gibt „Gärten der Religionen“, wie die Vizepräsidentin der Akademie der Weltreligionen an der Hamburger Universität, Anna Körs, sie nennt. Die etwas unscharfe Begrifflichkeit verweist auf Ursprung und Bedeutung historischer Gärten im Kontext von religiösen Gehalten, insbesondere den Paradiesvorstellungen in Christentum und Islam. Dieser Zusammenhang ist heutigen Besuchern etwa der Alhambra von Granada kaum noch geläufig. Und doch ist gerade die Sehnsucht nach einem lieblichen Garten etwas, das Gläubige und Ungläubige verbindet. In den Berliner „Gärten der Welt“ ist ein solcher Ort vorhanden, an dem die ur-menschliche Sehnsucht nach dem locus amoenus Erfüllung findet.
Und es gibt „Gärten der Religionen“, wie die Vizepräsidentin der Akademie der Weltreligionen an der Hamburger Universität, Anna Körs, sie nennt. Die etwas unscharfe Begrifflichkeit verweist auf Ursprung und Bedeutung historischer Gärten im Kontext von religiösen Gehalten, insbesondere den Paradiesvorstellungen in Christentum und Islam. Dieser Zusammenhang ist heutigen Besuchern etwa der Alhambra von Granada kaum noch geläufig. Und doch ist gerade die Sehnsucht nach einem lieblichen Garten etwas, das Gläubige und Ungläubige verbindet. In den Berliner „Gärten der Welt“ ist ein solcher Ort vorhanden, an dem die ur-menschliche Sehnsucht nach dem locus amoenus Erfüllung findet.
Fotos: ZOOMVP–BUD, Wikimedia Commons, Dr. Meinhof & Felsmann GBS, Stefan Maurer, Imago
Erschienen im Tagesspiegel am 26.05.2021
Erschienen im Tagesspiegel am 26.05.2021