Zwei Drittel der Unternehmen sehen Fachkräftemangel als größtes Risiko
Von Carsten Holm
Das Bundeswirtschaftsministerium versuchte, ein bisschen zu beruhigen: In Deutschland gebe es „derzeit keinen flächendeckenden Fachkräftemangel“, hieß es jüngst auf seiner Homepage. Ein paar Zeilen weiter allerdings wird die Wirklichkeit differenzierter beschrieben. In den Bereichen Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik, den sogenannten MINT-Bereichen, könnten ebenso wie in den Gesundheitsberufen schon jetzt „offene Stellen nicht mit geeigneten Fachkräften besetzt werden“.
Das Ministerium lokalisierte auch die deutschen Problemzonen. Vor allem in Süddeutschland und den neuen Bundesländern „spitzt sich die Lage zu“. Viele Unternehmen seien „bereits akut“ vom Mangel an Fachkräften betroffen, mehr als die Hälfte von ihnen sähen darin die größte Gefahr für die Geschäftsentwicklung – 2010 waren es nur 16 Prozent die ihn als Geschäftsrisiko einschätzten.
Das Ministerium lokalisierte auch die deutschen Problemzonen. Vor allem in Süddeutschland und den neuen Bundesländern „spitzt sich die Lage zu“. Viele Unternehmen seien „bereits akut“ vom Mangel an Fachkräften betroffen, mehr als die Hälfte von ihnen sähen darin die größte Gefahr für die Geschäftsentwicklung – 2010 waren es nur 16 Prozent die ihn als Geschäftsrisiko einschätzten.
Vor allem der Süden und Osten von Deutschland sind eine Problemzone
Noch dramatischer war das Ergebnis, als die Unternehmensberatung Deloitte im September 158 Finanzvorstände deutscher Unternehmen zum selben Thema befragte. Zwei Drittel von ihnen bewerteten den Fachkräftemangel, so Deloitte-Chefökonom Alexander Börsch, als „das wichtigste Risiko, gefolgt von steigenden Rohstoffkosten, zunehmender Regulierung sowie Energiekosten“.
Die Gründe für das Problem liegen offen. Der demografische Wandel führt dazu, dass die geburtenstarken Jahrgänge der Nachkriegszeit, die sogenannten Babyboomer, Ruheständler werden – und gleichzeitig erheblich weniger Jüngere nachrücken. Die Geburtenrate reicht nicht mehr dazu aus, die Generation der Eltern zu ersetzen. Die Bevölkerungszahl sinkt nur deswegen nicht, weil mehr Menschen zu- als abwandern.
Hinzu kommt, dass die Zahl der Jugendlichen nicht nur geringer geworden ist, sondern viele von ihnen heute Abitur haben und ein Studium einer Berufsausbildung vorziehen. 2019 erreichte die Nachfrage nach dualen Ausbildungsplätzen einen neuen Tiefstand.
Die Gründe für das Problem liegen offen. Der demografische Wandel führt dazu, dass die geburtenstarken Jahrgänge der Nachkriegszeit, die sogenannten Babyboomer, Ruheständler werden – und gleichzeitig erheblich weniger Jüngere nachrücken. Die Geburtenrate reicht nicht mehr dazu aus, die Generation der Eltern zu ersetzen. Die Bevölkerungszahl sinkt nur deswegen nicht, weil mehr Menschen zu- als abwandern.
Hinzu kommt, dass die Zahl der Jugendlichen nicht nur geringer geworden ist, sondern viele von ihnen heute Abitur haben und ein Studium einer Berufsausbildung vorziehen. 2019 erreichte die Nachfrage nach dualen Ausbildungsplätzen einen neuen Tiefstand.
Es sieht also düster, wenn nicht sogar bedrohlich aus auf dem Arbeitsmarkt für Fachkräfte. Den aktuell höchsten Engpass an Fachkräften hat die Industrie- und Handelskammer (IHK) Berlin in der Dienstleistungsbranche beobachtet. Bei den öffentlichen Dienstleistungen gibt es ein sogenanntes Angebotspotenzial, zur Verfügung stehende Fachkräfte, von immerhin 188 000 Frauen und Männern, denen aber die Zahl von 216 000 Kräften gegenübersteht, die benötigt werden und einen Job finden könnten. Die Lücke offener, kaum zu besetzender Stellen: 28 000. Bei den beratenden und wirtschaftsnahen Dienstleistungen gibt es 197 000 Fachkräfte, aber eine Nachfrage nach 213 000 Arbeitnehmer:innen, also einen Engpass von 16 000. Im Gesundheits- und Sozialwesen fehlen laut IHK 14 000, im Gastgewerbe 8200 Fachkräfte, im Einzelhandel 2000 und auf dem Bau 1700. Wolfgang Spieß, Geschäftsführer Bildung der IHK Potsdam, hat zudem registriert, dass auch Warenhausketten und Lebensmittelmärkte mit wachsenden Personalproblemen kämpfen – sie seien „mehr und mehr bei den Logistikern zu finden“.
Es wird kaum besser werden. Bis 2035 werden den Betrieben laut dem aktuellen IHK-Fachkräftemonitor 377 000 Fachkräfte fehlen, davon allein 314 000 beruflich qualifizierte Fachkräfte. Der Engpass wird dann siebenmal höher sein als in diesem Jahr.
Es wird kaum besser werden. Bis 2035 werden den Betrieben laut dem aktuellen IHK-Fachkräftemonitor 377 000 Fachkräfte fehlen, davon allein 314 000 beruflich qualifizierte Fachkräfte. Der Engpass wird dann siebenmal höher sein als in diesem Jahr.
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Aber auch beim Nachwuchs gibt es Lücken. Viele Ausbildungsplätze seien auch in diesem Jahr wieder unbesetzt geblieben, beklagt die IHK. Betroffen waren, nicht zum ersten Mal, die Berufe Kaufleute im Einzelhandel, Verkäufer und Kaufleute für Büromanagement, aber auch in den Berufen Anlagenmechaniker, Mechatroniker und Elektroniker. Die Kammer blickt mit Skepsis in die Zukunft. Gerade im gewerblich-technischen Bereich, in dem laut IHK-Fachkräftemonitor 2035 jede dritte Fachkraft fehlen wird, wächst jetzt kein Nachwuchs heran.
Immerhin: Die Ausbildungsberatung ist seit dem Frühsommer wieder zu neuem Leben erweckt, auf der berlinweiten Lehrstellenbörse „Ausbildung.berlin“ sind im Augenblick knapp 9000 freie Stellen in Berlin und seinem Speckgürtel gemeldet, einige auch schon für das kommende Ausbildungsjahr.
Immerhin: Die Ausbildungsberatung ist seit dem Frühsommer wieder zu neuem Leben erweckt, auf der berlinweiten Lehrstellenbörse „Ausbildung.berlin“ sind im Augenblick knapp 9000 freie Stellen in Berlin und seinem Speckgürtel gemeldet, einige auch schon für das kommende Ausbildungsjahr.
Fotos: Christopher Burns/Unsplash, Maurizio Gambarini/dpa
Erschienen im Tagesspiegel am 22.10.2021
Erschienen im Tagesspiegel am 22.10.2021