Dermatologie & Aesthetik

Die Haut zum Doktor tragen

Das schwarze Melanom ist ein gefährlicher Tumor. Deshalb gibt es ein HAUTKREBSSCREENING, alle zwei Jahre. Denn wird der Tumor früh erkannt, kann er noch gut behandelt werden.

Von Ingo Bach

Rente, Winter, Pflege: Vorsorge meint gemeinhin, sich für etwas in der Zukunft zu wappnen. In der Medizin aber bedeutet Krankheitsvorsorge nicht etwa, sich auf eine Krankheit vorzubereiten, sondern im Gegenteil diese zu vermeiden – zumindest aber sie zu heilen oder wenigstens im Fortschreiten zu stoppen. Und weil das üblicherweise auch noch preiswerter ist als die Erkrankung später zu behandeln, haben die Krankenkassen ein ganzes Portfolio an Vorsorgeuntersuchungen.

In meinem Alter (55) steht mir unter anderem alle zwei Jahre ein Screening auf Hautkrebs beim Hautarzt zu. Denn zum einen erkranken immer mehr Menschen an Hautkrebs, zum anderen ist gerade der schwarze Hautkrebs, das maligne Melanom, sehr aggressiv und bildet schnell Metastasen (siehe Text unten). Deshalb ist seine Erkennung im Frühstadium sehr wichtig, um den Tumor entfernen zu können, bevor er metastasiert. Doch es gibt auch ablehnende Stimmen. So kritisierte im Jahr 2016 eine medizinische Kommission in den USA, die die US-Regierung in Fragen der Krankheitsvorsorge berät, die zu dünne Datenlage. Es müssten sich 100 000 Menschen der Ganzkörperinspektion unterziehen, um einen Todesfall am Melanom zu verhindern. Ist das ein zu hoher Preis?

Verdächtiges Gewebe schickt der Arzt gleich ins Labor

Ich finde, nein – und nutze tatsächlich alle zwei Jahre den Untersuchungstermin. Gesetzlich Versicherten können das ab dem 35. Lebensjahr wahrnehmen. Das Screening dauert in der Regel zehn Minuten. „Wenn man nichts findet“, sagt der Hautarzt Thomas Bauer, in dessen Praxis in Wilmersdorf ich mich nun – im wahrsten Sinne des Wortes – oberflächlich begutachten lasse. „Wenn etwas verdächtig erscheint und genauer untersucht werden muss, dann dauert es länger.“ Ich hoffe sehr, dass es bei mir bei den zehn Minuten bleibt.

Der Arzt bittet mich, bis auf die Unterhose meine Kleidung abzulegen. Er breitet ein Blatt Papier auf dem Boden aus, auf dass ich mich barfuß stelle. Von Kopf bis Fuß werde ich nun zunächst etwas grober für den allgemeinen Überblick in Augenschein genommen.

Anschließend begutachtet Bauer meine Haut mit einem Dermatoskop, eine Art Speziallupe mit einer starken Lichtquelle, jeden kleinsten Punkt auf der Haut, der ihm mit seiner jahrelangen Erfahrung untersuchungswürdig erscheint. Hautkrebsscreening ist eine Erfahrungssache. „Ein Hautarzt lernt während seines gesamten Berufslebens immer mehr dazu, um Hautkrebs in immer früheren Stadien entdecken zu können.“ Bauer macht das seit 25 Jahren, hat also einen großen Erfahrungsschatz. Selbst unter den Haaren auf dem Kopf, im Mund, vor allem am Zungengrund, und auf den Fußsohlen schaut er genau hin. Finger und Zehenzwischenräume kommen ebenso dran, wie der Schambereich. Und auch die Pobacken spart der Arzt nicht aus. Denn auch da kann der Hautkrebs lauern.
Hautkrebsscreening ist eine Erfahrungssache. Der Arzt oder die Ärztin lernen während eines ganzen Berufslebens immer mehr dazu. Sie begutachten die Haut mit einem Dermatoskop, einer Speziallupe, die einer starke Lichtquelle besitzt.
Hautkrebsscreening ist eine Erfahrungssache. Der Arzt oder die Ärztin lernen während eines ganzen Berufslebens immer mehr dazu. Sie begutachten die Haut mit einem Dermatoskop, einer Speziallupe, die einer starke Lichtquelle besitzt.
Er fahndet sowohl nach schwarzem wie auch nach dem – weniger gefährlichen, weil nicht metastasierenden – weißen Hautkrebs. Und er fragt nach, ob mir selbst Hautveränderungen aufgefallen sind. Na ja, die eine oder andere schon, sage ich. Oder eigentlich frage ich das: Ist das was, Herr Doktor? Dann kommt oft die ebenso beruhigende wie ernüchternde Auskunft: Kein Krebs, aber eine alterstypische Erscheinung. Alterstypisch ...

Und natürlich berücksichtigt der Arzt auch frühere Screenings, so man denn bereits bei ihm war, und prüft, ob sich in den vergangenen zwei Jahren auf der Haut etwas verändert hat. Entweder er hat sich beim letzten Mal Notizen in der Patientenakte gemacht oder von verdächtigen Arealen Videoaufnahmen gespeichert, um zwei Jahre später den Stand vergleichen zu können. Findet Bauer ein krebsverdächtiges Muttermal, eine Warze oder eine auffällige Hautveränderung, schneidet er sie sofort heraus. Und schickt das Gewebe ins Labor, wo der Krebsverdacht unter dem Mikroskop geklärt werden kann. Erst dann ist Sicherheit da. Es ist also möglich, dass ein Patient beunruhigt werden muss. „Es dauert bis zu zwei Wochen, bis das Ergebnis vorliegt.“

Bauer ist vom Hautscreeningprogramm überzeugt. „Es werden immer kleinere Melanome in frühen Stadien entdeckt.“ Das überzeugt auch mich. Ich werde wohl in zwei Jahren wieder meine Haut zum Doktor tragen.
              

Krebsvorsorge

Die Kasse bezahlt

Gesetzlich Versicherte haben neben dem Hautkrebsscreening ab 35 alle zwei Jahre das Recht auf eine Darmkrebsfrüherkennung– ab 50 Jahre entweder durch Untersuchung auf Blut im Stuhl alle zwei Jahre oder bei Männern ab 50 und Frauen ab 55 eine Darmspiegelung im Abstand von zehn Jahren. Frauen können zwischen 20 und 34jährlich zur Früherkennung von Krebs in den Genitalorganen gehen, ab 35alle drei Jahre. Zwischen 50 und 70übernimmt die Kasse zudem alle zwei Jahre ein Brustkrebsscreening. Für Männer ab 45 Jahren zahlen die Kassen außerdem eine jährliche Tastuntersuchung auf Prostatkrebs. I.B.
ANZEIGE

Klinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie

Einer der gefährlichsten Tumore

Die ABCD-Regel hilft, SCHWARZEN HAUTKREBS von harmlosen Leberflecken zu unterscheiden. Viel Sonnencreme bewahrt davor, dass er entsteht.

Der schwarze Hautkrebs ist äußerlich oft schwer von einem harmlosen Muttermal zu unterscheiden. Aber es gibt Verdachtsmomente: Verändert sich ein Muttermal zum Beispiel sehr schnell, wird dunkler, heller oder fängt sogar an zu bluten, so kann das ein Hinweis sein, dass es sich um einen schwarzen Hautkrebs handelt. Der bösartige Tumor geht von den Zellen in der Haut aus, die die Pigmente zum Schutz vor der ultravioletten Strahlung im Sonnenlicht bilden und die die Hautfarbe bestimmen. Das maligne Melanom, so der Fachbegriff, gehört zu den gefährlichsten Krebsarten, da er schon sehr früh Tochtergeschwulste, sogenannte Metastasen, im ganzen Körper bilden kann.

SYMPTOME
Melanome zeigen sich meist als pigmentierte Flecken, die je nach individuellem Hauttyp heller oder dunkler sein können. „Viele Patientinnen und Patienten kommen mit einem Hautfleck zu uns in die Hautklinik, der entweder komplett neu auf zuvor unauffälliger Haut entstanden ist oder bei dem sich ein bekannter Fleck farblich verändert, in den Randbereichen verschwimmt oder sogar knotig wird und zu Blutungen neigt“, sagt Claas Ulrich, Oberarzt des Hauttumorzentrums am Charité Campus Mitte.

Die sogenannte ABCDE-Regel erlaubt eine erste Einschätzung in Richtung „gutartig“ oder „bösartig“. Dabei stehen die Buchstaben jeweils für ein bestimmtes Charakteristikum einer Melanomverdächtigen Hautveränderung.
A steht für Asymmetrie
Der Hautfleck hat eine unregelmäßige, asymmetrische Form.
B steht für Begrenzung
Der Hautfleck hat zackige, verwaschene oder raue Ränder, die in die gesunden Hautareale ausstrahlen.
C steht für Colour (englisch „Farbe“)
Ein Leberfleck hat unterschiedliche Färbungen oder gleichzeitig hellere und dunklere Bereiche.
D steht für Durchmesser
An seiner breitesten Stelle ist der Fleck größer als fünf Millimeter.
E steht für Evolution, in diesem Falle also Veränderung, sowie Erhabenheit
Hat sich das Muttermal innerhalb des letzten Vierteljahres verändert und ist möglicherweise sogar dicker und „knotig“ geworden, kann das ein wichtiger Hinweis auf einen bösartigen Hauttumor sein.

„Wenn mindestens einer dieser Punkte zutrifft, sollte man einen Hautarzt hinzuziehen, der dann die Diagnose stellt und im Bedarfsfall auch eine zeitnahe Behandlung einleitet“, sagt Ulrich.

Auch bei größeren angeborenen Muttermalen besteht die Gefahr, dass sie im Laufe des Lebens zu schwarzem Hautkrebs entarten. Deshalb sollten sie möglichst entfernt werden, raten Ärzte. Zumindest sollte man deren Entwicklung engmaschig kontrollieren.

Und schließlich: Menschen mit vielen Muttermalen sind ebenso gefährdet. Denn jedes dritte Melanom entwickelt sich aus einem bereits vorhandenen Leberfleck.
Genau hinsehen: Ist ein Hautfleck, wie auf diesem Bild, dick, knotig und nach außen gewölbt („erhaben“), besteht höchste Gefahr.
Genau hinsehen: Ist ein Hautfleck, wie auf diesem Bild, dick, knotig und nach außen gewölbt („erhaben“), besteht höchste Gefahr.
URSACHEN
Anders als der helle Hautkrebs, der weniger zu Metastasen neigt und sich oft erst in höherem Alter zeigt, findet sich der schwarze Hautkrebs typischerweise auch schon bei Menschen in jüngeren und mittleren Lebensjahren.

Fast alle Hautkrebs-Formen entstehen am häufigsten an stark von Sonnenlicht beschienenen Stellen wie Gesicht, Kopf und Rücken. Verantwortlich dafür ist starke UV-Bestrahlung, die mit dem Sonnenlicht einhergeht. Der Hauttyp bestimmt das Risiko, dass sich ein bösartiger Tumor ausbildet, entscheidend mit. So bekommen besonders hellhäutige Menschen vergleichsweise früher einen Sonnenbrand als dunkelhäutigere.


Auch die Genetik spielt eine große Rolle: Einzelne Hautkrebsarten finden sich in bestimmten Familien häufiger. „Die Gefahr einer eigenen Erkrankung steigt, wenn bereits Verwandte von einem Melanom betroffen waren“, sagt Claas Ulrich.

In den vergangenen Jahrzehnten registrieren die Ärzte eine wachsende Zahl von Hautkrebspatienten. Experte Ulrich sieht dafür drei Ursachen: „Zum einen ist die hohe Hautkrebsrate dem ungebremsten Bräunungswahn aus den Achtziger- und Neunzigerjahren geschuldet.“ Menschen, die früher regelmäßig ins Solarium gegangen sind oder jeden Sonnenstrahl mitgenommen haben, tragen ein höheres Risiko, später an Hautkrebs zu erkranken. „Zum anderen werden die Menschen älter. Da das Immunsystem mit dem Alter schwächer wird, erleiden ältere Menschen häufiger Hautkrebs.“

Auch der zunehmende Einsatz von immunschwächenden Medikamenten– sogenannte Immunsuppressiva, wie zum Beispiel Kortikosteroide – spiele eine Rolle. Menschen, die unter Autoimmunkrankheiten wie Rheuma leiden oder eine Organtransplantation hinter sich haben, sind aber auf solche Arzneimittel angewiesen.

THERAPIE
Wird der schwarze Hautkrebs frühzeitig, lange bevor sich Tochtergeschwulste bilden konnten, entdeckt, liegt die Heilungschance inzwischen bei deutlich über 90 Prozent. Die befallene Haut wird operativ entfernt und die Wunde primär durch eine Naht verschlossen oder – wenn die Wunde sehr groß ist – durch gesunde Haut von anderen Körperstellen ersetzt. Dabei schneiden Dermatologen den Tumor samt einem ihn umgebenden Teil gesunder Haut und darunterliegendem Gewebe – den sogenannten Sicherheitsabstand – heraus. Sind die Lymphknoten betroffen, entnimmt der Chirurg diese gleich mit.

„Finden sich in den Lymphknoten bereits größere Tumornester, bieten wir heutzutage unseren Patienten eine medikamentöse Therapie an, um den Tumor im Frühstadium von weiteren Metastasierungen abzuhalten“, sagt Ulrich. Ziel dabei ist, dass synthetisch hergestellte Antikörper die spezifische Immunantwort des Körpers gegenüber Krebszellen stärken und so das Wachstum der Krebszellen blockieren. Diese zielgerichtete Therapie dauere etwa ein Jahr.

Ist der Krebs in einem fortgeschrittenen Stadium und hat bereits andere Körperteile befallen, folgt auf die Operation eine Infusionstherapie. Anstatt auf eine allgemeine Chemotherapie, die den gesamten Körper beeinträchtigt, greifen die Hauttumorspezialisten dabei heutzutage zu einer modernen individualisierten Therapie. „Die speziellen Eigenschaften des Tumors werden zum Beispiel durch Genanalysen charakterisiert“, sagt Ulrich. „Die darauf abgestimmte Therapie greift den Tumor gezielt an seinen Schwachstellen an, um ihn zu töten.“

PRÄVENTION
Die beste Vorsorge ist es, starke Sonneneinstrahlung zu meiden – besonders in
der Zeit des höchsten Sonnenstandes zwischen 11 und 15 Uhr. Die empfindlichere Kinderhaut sollte generell möglichst wenig direkter Sonne ausgesetzt werden.

Für den gesunden Aufenthalt in der Sonne ist die richtige Dosierung von Sonnencreme entscheidend. „Damit Sonnenschutz wie auf der Verpackung angegeben vor zu viel UV-Strahlung bewahrt, sind zwei Milligramm Sonnenmilch pro Quadratzentimeter Haut nötig“, sagt Ulrich. „Doch das kann niemand richtig abschätzen und auf der Packung steht es in den allermeisten Fällen auch nicht.“

Dass die Dosierung nach Gefühl viel zu gering ist, hätten auch Studien der Charité gezeigt, so Ulrich. Meist werde nur ein Zehntel der empfohlenen Menge aufgetragen.

Das Gefährliche daran: Wer zu wenig Sonnencreme benutzt, fühlt sich zwar geschützt– ist es aber nicht. „Dann besteht die große Gefahr, erst recht einen schweren Sonnenbrand zu bekommen und das Hautkrebsrisiko zu erhöhen“, sagt Ulrich. Nur mit der richtigen Dosierung mache Sonnenschutz Sinn. Der Dermatologe rät deshalb, Sonnencremes mit Dosierungshilfe zu verwenden.

Die Früherkennung von Hautkrebs durch sogenannte Screenings wird seit 2008 von allen gesetzlichen Krankenkassen bezahlt. Ab 35 Jahren kann man sich alle zwei Jahre kostenlos von einem Haus- oder Hautarzt untersuchen lassen (siehe Text oben).

Zusätzlich empfiehlt Ulrich Selbstuntersuchungen. In Schulungen könne man gemeinsam mit einem Partner lernen, sich gegenseitig nach auffälligen Muttermalen zu untersuchen. Ingo Bach
Fotos: Getty Images
Erschienen im Tagesspiegel am 25.09.2021