UN-Klimakonferenz

„Klimaschutz ist schon längst raus aus der linken Ecke“

GermanZero möchte Deutschland bereits im Jahr 2035 klimaneutral machen. Geschäftsführer Julian Zuber über träge Politik und engagierte Menschen

Von Ruth Ciesinger

Die spendenfinanzierte Nicht-Regierungsorganisation GermanZero möchte Deutschland auf den Weg zur Klimaneutralität im Jahr 2035 bringen. Dafür erarbeiten die Klimaaktivisten mit Unterstützung von Wissenschaftlerinnen und Juristen ein „1,5-Grad-Gesetzespaket“ und initiieren auf kommunaler Ebene Klimaentscheide, darunter den Volksentscheid „Berlin Klimaneutral 2030“. Julian Zuber ist Geschäftsführer von GermanZero.

Herr Zuber, muss die Klimawende von unten kommen?
Für die Klimawende reicht es nicht, nur in Berlin Gesetze zu machen. Wir müssen kommunikativ und politisch an die Menschen in den Kommunen ran, das erzeugt ganz anderen Schwung. Inzwischen gibt es in Deutschland 60 Klimaentscheide, die Leute vernetzen sich untereinander und es entsteht eine richtig neue Bewegung.
Wie ist denn die Reaktion vor Ort auf so einen lokalen Klimaentscheid?
Der Prozess läuft in manchen Kommunen leichter ab als in anderen, aber negative Rückmeldungen kenne ich keine. Im Kern geht es ja überall darum: Menschen wollen etwas tun, und Klimaentscheide geben ihnen die Möglichkeit, sich konkret zu engagieren. Die Zivilgesellschaft reagiert also in der Regel sehr positiv, zum Teil sind kommunale Unternehmen mit dabei. Wenn skeptische Menschen wissen wollen, wie die Veränderungen zu schaffen sind, und was das etwa für ihre Stromrechnung bedeutet, sind das legitime, wichtige Fragen.
Eins Komma Fünf. Julian Zuber, Stephan Breidenbach und Lea Nesselhauf (von links) von GermanZero bei einer Foto-Aktion vor dem Reichstag.
Eins Komma Fünf. Julian Zuber, Stephan Breidenbach und Lea Nesselhauf (von links) von GermanZero bei einer Foto-Aktion vor dem Reichstag.
Aber es macht einen großen Unterschied, ob ich abstrakt darüber debattiere oder ob mein Nachbar mir sagt, ich möchte, dass diese Kommune klimaneutral wird, damit auch unsere Kinder ein gutes Leben haben können. Die Zahl der Klimaentscheide hat sich innerhalb eines Jahres verdreifacht. Das zeigt: Das Interesse der Menschen, sich einzubringen, ist da.

Sie setzen statt Protest auf der Straße auf eine Art Klimalobbyismus. Warum?
Ohne den Druck von „Fridays for Future“ wären wir heute nicht, wo wir sind, und wir brauchen ihn auch weiter. German-Zero aber haben wir 2019 gegründet, weil wir folgenden Engpass sahen: Alle waren sich einig, man muss etwas tun, aber die Politik hat sich hinter komplizierten Gesetzesverfahren und Regularien versteckt, statt zu handeln. Mit unserem 1,5-Grad-Gesetzespaket wollen wir die Beweislast umkehren und sagen: Schaut mal, so geht es, jetzt seid Ihr dran.


Sie haben viele Unterstützer in der Wissenschaft und anderen Gesellschaftsbereichen. Aber hört Ihnen auch Christian Lindner zu?
Wir haben vor der Wahl viele Politikgespräche geführt. Einmal vor Ort und einmal auf Ebene der Spitzenpolitik. Da haben wir in Hintergrundgesprächen gezeigt, wie wir arbeiten und wie die Systematik des Gesetzespaketes funktioniert. Diese Gespräche gehen weiter. Wir sind, so viel kann ich sagen, im Kontakt mit den Spitzen aller Parteien, die in der Lage sind, eine Regierung zu bilden. Die Partei- und Fraktionsvorsitzenden kennen unsere Positionen und hören die auch.

Wie kriegt man das Klimathema aus der linken Ecke raus, in der es trotz allem immer noch verortet wird?
Ich würde ja sagen, es ist schon längst aus der linken Ecke raus. Wir organisieren beispielsweise eine CEO-Kampagne zu echtem Klimaschutz, die noch während der Koalitionsverhandlungen gelauncht wird. Da sind Unternehmer:innen dabei, die sind wirklich nicht links. Aus meiner Sicht ist nicht nur die Zivilgesellschaft schon weiter als die Politik, sondern auch die Wirtschaft.
        

Podcast

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Das ganze Gespräch mit Julian Zuber können Sie im Klimapodcast „Gradmesser“ hören. Der Gradmesser erscheint freitags auf tagesspiegel.de und auf Plattformen wie Apple Podcasts oder Spotify.

Alle Klimapodcast-Folgen finden Sie hier: tagesspiegel.de/gradmesser
Foto: GermanZero
Erschienen im Tagesspiegel am 01.11.2021